Was ergibt Diegos letzte Urinprobe?

■ Während Maradona in einer Genfer Drogenklinik entzieht, wartet Argentinien auf das Ergebnis seines letzten Dopingtests

Buenos Aires (taz) – Als Diego Maradona am vergangenen Wochenende ankündigte, er wolle seinen Club La Boca Juniors verlassen, hielten das viele lediglich für einen weiteren von Diegos Sprüchen. Doch dann machte er klar, daß es diesmal etwas ernster gemeint war als sonst. Am Montag stieg er in ein Flugzeug Richtung Madrid. Am Dienstag traf er in Genf ein, wo er in einer Privatklinik versucht, eine zwölftägige Drogentherapie hinter sich zu bringen. Warum die Eile? Maradona hatte sich beim sonntäglichen Punktspiel in der argentinischen Liga einem Dopingtest unterziehen müssen. Er sei möglicherweise gedopt oder unter dem Einfluß von Kokain gewesen, meldeten argentinische Zeitungen gestern. Das Ergebnis der Urinprobe soll am Wochenende bekannt werden. Bereits 1991 als Profi in Italien (Kokain- Mißbrauch) und bei der Fußball-WM 1994 in den USA (Ephedrin) war Maradona als Dopingsünder gebrandmarkt worden. Auch wenn die Gerüchte über seine Abhängigkeit nie verstummt waren, kommt das nun selbst für seine Landsleute überraschend.

Dabei schien noch vor vier Wochen im Hafenviertel La Boca alles bestens. Da hatten die Boca Juniors den Erzfeind von der anderen Seite der Stadt, River Plate, 4:0 geschlagen. Das zählt fast soviel wie eine Meisterschaft. Danach aber gingen sämtliche Spiele in die Hose. Und Kapitän Maradona empfahl sich dabei als Elfmeterkiller. Gleich fünf Strafstöße hintereinander hat er in dieser Saison versiebt. Als er zuletzt gegen Racing beim Stand von 0:1 zwei Minuten vor Schluß erneut nicht traf, war der Titel weg.

Am Sonntag hatte sich Maradona mal wieder in die Märtyrerrolle begeben. Das Debakel sei seine Schuld. Schließlich hätte er als Kapitän etwas tun müssen. Darum wolle er einen Schlußstrich ziehen und den Verein verlassen, mit dem er erstmals in seiner Karriere argentinischer Meister wurde. Außerdem hätten seine Töchter seinetwegen geweint. Und so etwas „würde kein argentinischer Vater zulassen“.

Doch zwischen dem, was Maradona sagt, und dem, was er dann tut, besteht seit jeher ein großer Unterschied. Und auf dem Feld war Maradona zuletzt eher eine psychologische Stütze als eine spielerische. Zwar gelingt ihm immer wieder einer jener Pässe, die spielentscheidend sein können, ansonsten liegt er aber meist auf dem Rasen herum und händelt mit dem Schiedsrichter.

Die Eskapaden Maradonas gehen inzwischen immer mehr Menschen auf den Wecker. Boca-Präsident Marci attestiert, daß sich die Beziehung zwischen Diego und seinem Publikum verändert habe: „Offensichtlich ist etwas passiert und kaputtgegangen.“ Vielen redet er einfach zuviel und nimmt dabei den Mund zu voll. Seine Privilegien bei La Boca stießen ebenfalls übel auf. Er hatte recht flexible Arbeitszeiten mit seinem Arbeitgeber ausgehandelt und konnte zum Training, wann er wollte. Und ob Maradona spielte, entschied er allein. Das war spannend: Jede Woche rätselten die Zeitungen mit Beginn der Donnerstagsausgabe, ob Diego spielen würde oder nicht.

Nach seinem Aufenthalt in der Schweiz wollte Maradona erst einmal nach Kanada und Kuba reisen, um zu trainieren. Trotz allen Ärgers hoffen immer noch viele, daß er in der nächsten Saison wieder das Trikot mit der Nummer 10 in den Boca-Farben tragen wird. Doch er beteuerte, die Entscheidung, Boca zu verlassen, sei definitiv. Die Sporttageszeitung Ole konterte diese Verlautbarung mit einem Kasten „Diego sagte – Diego machte“.

Nun wird alles davon abhängen, zu welchem Testergebnis der Fußballverband AFA kommt. Mauricio Macri, der Präsident von Boca, hat sich schon in Sicherheit gebracht und gesagt, Maradona sei „für sich selbst verantwortlich“.

Zunächst aber ist Maradona in der Schweiz und entzieht. „Ich werde mich von der Sucht heilen lassen“, sagt er. Und: „Zum erstenmal seit langer Zeit fühle ich, daß ich etwas für mich tue.“ Wieder einmal hofft Diego Maradona (35), eine neue „Etappe in meinem Leben zu beginnen“. Ist das Testergebnis positiv, wird es die erste als Ex-Fußballer sein. Ingo Malcher