Der Geschmack der IG Farben

In Guatemala warb der deutsche Chemiekonzern Bayer in einer Tageszeitung mit dem Satz: „Der plötzliche Tod ist eine deutsche Spezialität“  ■ Von Ciro Krauthausen

Berlin (taz) – Deutschland ist in Lateinamerika oft genug Synonym für Marken- und Qualitätsware – freilich können damit unterschiedliche Dinge gemeint sein. In einer Anfang Juli in der guatemaltekischen Tageszeitung Prensa Libre geschalteten Anzeige warb der Bayer-Chemiekonzern für sein Insektenspray „Baygon“ mit dem Satz: „Der plötzliche Tod ist eine Spezialität aus Deutschland.“

Gemeint hatten die Werbetexter allerdings nicht Paul Celans Diktum, der Tod sei ein Meister aus Deutschland, sondern die jüngst bei der Fußball-EM eingeführte Golden-Goal-Regel: das Ausscheiden einer Mannschaft, nachdem der Gegner in der Verlängerung ein Tor erzielt – im martialischen Spanisch südamerikanischer Reporter der „plötzliche Tod“.

Makaber ist der Satz auch deswegen, weil bei der Produktion des Baygons in Mittelamerika hochgiftige Substanzen verwendet werden. Cyfluthrin und Propoxur sind von der Weltgesundheitsorganisation WHO als „mittel gefährlich“ eingestuft worden; ein weiterer Wirkstoff namens Dichlovors sogar als „hochgefährlich“. Weil „Baygon“, das in Deutschland hergestellt wird, diese Wirkstoffe nicht enthält, verdächtigen die Aktionsgruppen Pestizid-Aktions- Netzwerk (PAN) und die Coordination gegen Bayer-Gefahren (CGB) den Chemieriesen, die Gifte mit Rücksicht auf deutsche Skrupel lieber im fernen Mittelamerika loszuschlagen.

Thomas Reinert, Sprecher von Bayer, will das nicht gelten lassen. Zwar seien die kritisierten Wirkstoffe tatsächlich nicht mehr in den zwei deutschen „Baygon“-Varianten enthalten, das liege aber daran, daß in Guatemala die Unmenge an Insekten einfach ein größeres Problem darstelle. Außerdem sei der auch vom Bundesgesundheitsministerium als gefährlich eingestufte Wirkstoff Dichlovors nicht wegen seiner Gesundheitsschädlichkeit aus dem deutschen „Baygon“- Spray herausgenommen worden, sondern weil die Insekten gegen ihn resistent geworden seien. Im Übrigen würde Dichlovors bald auch in Guatemala, wie schon in Deutschland geschehen, durch Transfluthrin ersetzt.

Hinter der Anzeige selbst – so Sprecher Thomas Reinert – habe in keiner Weise „böse Absicht“ gesteckt. Das Inserat sei ohne Mitwirken der deutschen Zentrale in Guatemala konzipiert worden. Sowohl die dortige Geschäftsleitung als auch die Zentrale in Leverkusen hätten inzwischen die Anzeige gestoppt. Zu der Forderung der Aktionsgruppen PAN und CGB, Bayer solle in Guatemala eine gleichgroße Anzeige mit einer Entschuldigung schalten, mochte sich der Sprecher nicht äußern.