Rechtsextremisten weichen nach Schweden aus

■ Der Rudolf-Heß-Marsch soll dieses Jahr im schwedischen Trollhättan stattfinden

Nürnberg (taz) – Nachdem sie zunächst mehr als hundert Demonstrationen in den letzten Wochen angekündigt hatten, planen deutsche und internationale Neonazis nun für den 17. August einen „würdevollen Trauermarsch für Rudolf Heß“. Der soll im schwedischen Trollhättan stattfinden. Ein „Aktionskomitee Rudolf Heß 1996“ ruft über „Nationale Infotelefone“ und das Thule-Mailbox- System zusätzlich auch zu einer Kundgebung „in einer deutschen Stadt“ auf.

Seit dem Tod des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß 1987 im Spandauer Kriegsverbrechergefängnis in Berlin veranstalten die Rechtsextremisten alljährlich Gedenkmärsche. Heß wird von der Szene als „Märtyrer für den Frieden“ verehrt. In den vergangenen Jahren fanden in Wunsiedel, Bayreuth, Rudolstadt und Fulda Aufzüge von bis zu 2.500 Neonazis aus dem In- und Ausland statt. Neben dem Internationalen Treffen „Ijzerbedevaart“ in Diksmuide (Belgien) Ende August und der Gedenkveranstaltung für General Franco in Madrid Anfang November hat der Heß-Marsch innerhalb der Szene einen hohen Stellenwert. Dort treffen sich führende Köpfe, man beweist seine Stärke und hofft, neue Anhänger zu rekrutieren.

Angesichts der verstärkten staatlichen Maßnahmen gegen die deutsche Neonazi-Szene und der nahezu flächendeckenden Demonstrationsverbote fand im letzten Jahr der zentrale Heß-Aufmarsch im dänischen Roskilde statt. Er wurde für die Szene zum Flop. 150 Rechtsextremisten wurden von GegendemonstrantInnen in die Flucht geschlagen.

Die Wahl des schwedischen Orts Trollhättan nördlich von Göteborg für den diesjährigen Demonstrationsmarsch macht durchaus Sinn. Das Städtchen ist nicht allzu weit entfernt von Sveneby, wo der Hamburger Neonazi-Anwalt und Aktivist der verbotenen „Nationalistischen Front“, Jürgen Rieger, im Frühjahr letzten Jahres für etwa 2,2 Millionen Mark einen pompösen Herrenhof mit 650 Hektar Land gekauft hat. Rieger will dort mit Gleichgesinnten „ein Leben unbeeinflußt durch Umerziehung, Überfremdung und Drogen“ führen. In Trollhättan selbst gibt es einige Neonazi-Gruppen, die in den letzten Jahren durch militante Aktionen aufgefallen sind. Außerdem existiert in Schweden kein NS-Verbot.

Organisiert wird die Heß-Demonstration in der schwedischen Kleinstadt von der „Nationalen Allianz“ (NA) und deren Unterorganisation „Gelbes Kreuz“. Führer der NA ist John Christopher Rangne, ein Aktivist der terroristischen „Vitt Ariskt Motständ“ (Weißer Arischer Widerstand). Er saß wegen bewaffneter Raubüberfälle mehrere Jahre im Gefängnis und wurde im Winter 1995 entlassen. Das „Gelbe Kreuz“ ist eine Organisation zur Unterstützung von inhaftierten Neonazis, gegründet nach dem Vorbild der deutschen „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene“ (HNG). Nach der Demonstration soll ein Konzert mit den Skinhead- Gruppen „No Remorse“, „Germania“ und „Svastika“ stattfinden.

Die in den letzten beiden Wochen unter Federführung der „Jungen Nationaldemokraten“ ausgerufenen „Nationalen Aktionstage“ mit zahlreichen Kundgebungsanmeldungen im ganzen Bundesgebiet werten die Sicherheitsbehörden als „gezieltes Verwirrspiel zur Beschäftigung der Behörden“. Anmeldungen für den 17. August in Plattling und München sind für Bayerns Innenminister Beckstein ebenfalls „Teil der Strategie, die Polizei zu verunsichern“. bs