Ein Mann mit Stil und Prinzipien

■ Bernhard Hermkes, Hamburgs bedeutendster Architekt der Nachkriegsmoderne, ist gestorben

Es war vor zwei Jahren: Bernhard Hermkes erwartete im Atelier seines Hauses in der von ihm entworfenen Siedlung am Bahnhof Klein Flottbek die Gratulanten zu seinem 90. Geburtstag. Befallen von einer rührenden Aufregung, die ihm das Erinnern erschwerte, war der Zeitpunkt für ein Interview denkbar ungünstig, aber der würdige Herr beantwortete geduldig und freundlich alle Fragen. Doch plötzlich, befragt, wie ihm die aktuelle Hamburger Architektur gefalle, wurde Hermkes energisch, ja fast böse. Die heutigen Architekten wüßten nichts von Licht und Luft, und mit einem Seitenhieb gegen das Gruner+Jahr-Gebäude von Otto Steidle sprach er von „dunkler Gassenarchitektur“.

Schnell wichen diese Zorneswolken zwar wieder einem feinen Umgangston, aber die Impulsivität, mit der diese Aussage hervorbrach, illustriert Hermkes lebenslanges Bekenntnis zu den Prinzipien der klassischen Moderne sehr genau, die er in der heutigen Backstein-Nostalgie untergehen sah. Hermkes, dessen Bedeutung als einer der führenden Architekten der Nachkriegsmoderne heutzutage leider nur noch in Fachkreisen gewürdigt wird – es gibt nicht einmal eine Monografie über ihn –, hat sich in seinen Bauten stets der sozialen Charta der 20er Jahre verbunden gefühlt, ohne sich deswegen eine eigenwillige Formensprache zu versagen. So gilt seine wellenförmige Großmarkthalle in Hammerbrook als eines der wichtigsten Bauzeugnisse der deutschen Nachkriegszeit – was den Kölner Architekten Böhm vor einigen Jahren zum Zorn von Hermkes allerdings nicht davon abgehalten hat, seinen Entwurf für eine Mehrzweckhalle auf dem Gebäude zu plazieren.

Das bekannteste, wenn auch heutzutage zu Unrecht viel geschmähte Werk Bernhard Hermkes, der zwischen 1921 und '26 bei Theodor Fischer, Hans Poelzig und Paul Bonatz studierte, sind sicherlich die Grindelhochhäuser. Als Kopf einer Gruppe junger „unbelasteter“ Architekten – Hermkes selbst hatte im Dritten Reich unter Herbert Rimpl und Wilhelm Wichtendahl Flugzeugwerke in „moderner“ Manier gebaut – schuf er 1946-56 dieses einzigartige, programmatische Ensemble.

Zu seinen weiteren Bauten zählt unter anderem das Audimax der Universität, die Lombardsbrücke, Siedlungen in Lurup, Klein Flottbek und am Eichenpark, das Staatsarchiv Hamburg (das demnächst einer neuen Einkaufspassage weichen muß) und die denkmalgeschützte Architekturfakultät Berlin. Bernhard Hermkes, der auch Professor an der Berliner TU und Träger des Hamburger Fritz Schumacher-Preises war, verstarb, wie erst am Wochenende bekannt wurde, vergangenen Montag 92jährig in Hamburg. Till Briegleb