„Tauschen Zeit gegen Geld“

■ Wohngruppe „Nimm 2“ besetzte Steg-Büro Von Marco Carini

Seine Neigung, mit Leuten zu reden, „die nur einen Mund, aber keine Ohren haben“, ist bei Peter Jorczik, Chef der Stadterneuerungsgesellschaft (Steg) wenig ausgeprägt. Doch da er seine Drohungen (“Ich lasse gleich räumen“) nicht wahrmachte, die vermeintlich schlechten Zuhörerinnen aber auch nicht freiwillig das Büro am Schulterblatt verließen, blieb Jorczik nichts anderes übrig, als sich den Mund fusselig zu reden.

Sieben Frauen des Wohnprojekts „Nimm 2“ hatten Freitag morgen unaufgefordert die Steg besucht, um den neuesten Stand im Konflikt um den seit fünf Jahren leerstehenden Laue-Komplex im Schanzenviertel zu erfahren. Die Gruppe, die in der Schanzenstraße 58-62 ein Wohnprojekt etablieren will, beklagt, daß sie über die aktuellen Entwicklungen bei den Laue-Verhandlungen nicht informiert würde: „Wir werden bei der Steg mit unseren Fragen von einem zum anderen geschickt“. Bei ihrer unangemeldeten Visite aber gelang es den Frauen von „Nimm 2“, einige der gewünschten Detailinformationen zu erfahren.

Seit dem Ausscheiden des Rechtsanwalts Hans-Erich Dabelstein aus der Investorengruppe am 28. Februar kommen nach Auskunft von Steg-Chef Peter Jorczik „die Verhandlungen voran“. Denn die Zeit drängt: Zwischen der Steg und der personell veränderten Investorengruppe BOSW KG um den Hamburger Bankier Max Wartburg und den Rechtsanwalt Michael Backhuß soll auf Drängen der Stadtentwicklungsbehörde noch bis zum Sommer ein städtebaulicher Vertrag geschlossen werden. Die Steg will festschreiben, daß weite Teile des Laue-Komplexes unter Zuhilfenahme öffentlicher Mittel saniert werden, damit die Mieten für die 200-300 modernisierten Wohnungen bezahlbar bleiben. Die Etablierung eines alternativen Wohnprojekts spielt für die Steg eine „untergeordnete Rolle“.

Steg-Faustpfand im Verhandlungspoker: Ohne diesen Vertrag kann die Investorengruppe frühestens in drei Jahren mit der Sanierung beginnen, da die Instandsetzungs-Pläne nicht dem gültigen Bebauungsplan entsprechen. Der BOSW aber laufen die Zinsen für die bereits aufgenommenen Kredite davon. Jorczik: „In dem Vertrag tauschen wir Zeit gegen Geld“. Weitere Neuigkeit: „Die Eigentümer haben ganz klar erklärt, daß es in der Schanzenstraße 58 bis 62 kein alternatives Wohnprojekt“, finanziert aus dem Programm „Alternative Baubetreuung“ (ABB) der Stadtentwicklungsbehörde, geben werde.

Dafür aber, so Steg-Prokurist Dieter Lux, hätten die Investoren am Donnerstag erstmals durchblicken lassen, daß in der Ludwigstraße 8 Platz für ein entsprechendes Modell sein könnte. Mitte Mai will Lux BehördenvertreterInnen, Investoren, die Sanierungsträger Lawaetz und Stattbau sowie „Nimm 2“ an einen Tisch bringen, um das vage Versprechen zu konkretisieren.

Finale der anderthalbstündigen Begegnung im Steg-Büro: Da den sieben BesucherInnen die Informationen offenbar nicht ausreichten, versuchten sie einen Aktenordner mitgehen zu lassen, was nur durch ein von Jorczik beherzt inszeniertes Handgemenge verhindert werden konnte.

Was die sieben BesucherInnen nicht wußten: Während sie im vierten Stock die Steg durcheinanderwirbelten, tobte drei Etagen tiefer eine Geburtstagsparty mit prominenten TeilnehmerInnen aus dem Senatsgehege und Altbundeskanzler Helmut Schmidt. Ein Steg-Mitarbeiter: „Mit dem hätten die ihre Kapitalismus-Kritik viel besser diskutieren können.“