Warum gibt es Ritter Sport?

■ Ost-West-Premiere von Kampnagel und Theater Vorpommern: Die Komödie „Zapping“ präsentiert die Generation nach '68. Spaß – und sonst nicht viel

mehr

Roul, ein Werbetexter mit Telefonitis, träumt von der großen Freiheit der Selbständigkeit. In seine vom Papa geschenkte Eigentumswohnung holt er Jugendfreund Chris. Von dessen unkonventionellen Ideen erhofft er sich einen „Kick“. Doch dieser birkenstöckige Computerfreak verachtet jede Form bürgerlicher Arbeit und schummelt sich philosophierend durchs Leben. Auf alles weiß er eine Antwort – meist ist es eine Frage – und was er mit Worten nicht bewirkt, schafft er durch Schokolade. Die teuflisch unterhaltsamen Dialoge beginnen meist so: „Warum gibt es Ritter Sport? Und warum gibt es das Böse?...“

Immer mehr Figuren durchkreuzen die Bühne, auf der nur eine kleine Chaiselongue steht und eine lange Bank im Hintergrund, die in ihrem überdimensionalen Rahmen an ein aufgeblasenes Bushäuschen erinnert. Von dort springen die Akteure ins Geschehen: um in der Eigentumswohnung Platz zu nehmen oder in Liebesangelegenheiten.

Ex-DDR-Bürger Friedhelm Kollwitz kann nicht verwinden, daß seine Frau ins Sonnenstudio geht, „das soll doch Krebs fördern“, und wird von Roul gnadenlos ausgenutzt. Esoterikerin Marlies pendelt die Energien im Raum, bevor sie sich niederläßt. Modejournalistin Kikki fragt: „Wie krieg' ich ein Kind und bleib' trotzdem lässig?“ um den großen Auftrag vom TV-Frauenmagazin zu ergattern.

Die Zeiten haben sich nicht geändert. Die Frauen sind für die Männer Hure oder Heilige, werden entweder aus Eifersucht geschlagen, wie das Blankeneser Girlie Roxana – eine armschlenkernde Techno-Prinzessin – oder verlassen, wie die schwarze Literatin Simone, die mehr Tränen heult als die italienische Wunder-Madonna.

Die Dramaturgie hält sich an das „Zapping“, permanent wird umgeschaltet. Jeder lebt in seinem eigenen Universum, Begegnungen gelingen rein zufällig. Mal ist ein Duo auf der Chaiselonge beschäftigt, dann wieder posiert die ganze Gruppe auf der Bank und einer tritt vor. Am Ende läuft der gleiche Dialog ab wie zu Anfang, nur daß jetzt die Personen den Text ihres Nachbarn sprechen: Das funktioniert genauso gut, Sprache ist austauschbar geworden, eine leere Hülse.

Trotz der einfallsreichen Regie von Elke Lang, trotz der von den Schauspiel-Absolventen der Hochschule für Musik und Theater glatt und temporeich präsentierten Rollen, trotz der witzigen Passagen in den Dialogen von Ulrich Waller bleibt ein schales Gefühl zurück. Was hat dieser Abend gebracht? Gute Unterhaltung, ein wenig Schmunzeln über Charaktere, die Typen repräsentieren, die man kennt. Bloß: Die Charaktere sind keine, sie haben keinen Schatten, keine Rückseite. Am Ende beschleicht einen die Sehnsucht nach griechischem Theater, nach Katharsis, nach kollektivem Erleben eines mythischen Themas. Wenn all das antiquiert ist, dann bleibt wirklich nur noch geschickt montierte Unterhaltung zurück, vergängliches Amüsement wie im Fernsehen. Ist das wirklich die Generation nach 68?

Gabriele Wittmann