Viel Öko, aber wenig Arbeit

■ In Berlin wird im Umweltbereich zwar fleißig geforscht, doch kaum produziert. Arbeitsplätze in diesem Sektor bleiben nach wie vor rar, Fördergelder werden knapp

Berlin hat einen Ruf zu verlieren. Ganz vorne wollte man nach 1989 dabeisein, als es um die Ansiedlung von Unternehmen ging, die im weitesten Sinne etwas mit Umweltschutz zu tun haben. Das Image der Stadt als Standort innovativer Ökotechnologien ist heute weit verbreitet. Tatsächlich wursteln heute doppelt so viele Unternehmen in Berlin vor sich hin, die als Anbieter von Gütern und Dienstleistungen auf dem Umweltschutzmarkt gelten, als noch vor sechs Jahren. Bundesweit sind es nur 20 Prozent mehr. Der Gründerboom konzentrieret sich vor allem auf den Ostteil der Stadt. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen mischen hier die Karten für den Berliner Umweltmarkt neu. Ob es um die Forschung mit neuen Solarzellen, den Bau von Blockheizkraftwerken oder um die Müllbeseitigung geht – der Ostteil der Stadt holt auf.

Doch: Operation gelungen, Patient tot. Denn Arbeitsplätze wurden dabei nicht in nennenswertem Umfang geschaffen. „In Berlin wird zwar viel im Umweltbereich geforscht, aber wenig produziert“, stellt Vollrad Kuhn, wirtschaftspolitischer Sprecher der Bündnisgrünen im Abgeordnetenhaus, fest. Was nach wie vor in Berlin fehlt, ist ein Großproduzent von Umweltgütern. Die kleinen Firmen haben niemanden, dem sie zuliefern können, kein Zugpferd, daß vor Krisen schützt und frisches Geld nach Berlin lockt.

„Derzeit profitiert der Arbeitsmarkt in Berlin bestimmt mehr von den kleinen Anbietern von Dienstleistungen im Umweltbereich“, glaubt auch Ulrich Petschow, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW). „Mit Projekten zur Entlastung der Umwelt, Produktökobilanzen und der frühen Einführung von Öko-Audits war Berlin bestimmt Vorreiter. Aber die Frage ist, ob das alles auch Arbeitsplätze schafft.“

In einer Studie, die das IÖW zusammen mit dem ifo-Institut aus München verfaßte, geht man davon aus, daß sich die Zahl der Arbeitsplätze in dem Bereich seit 1987 in Berlin verdreifacht hat. Doch immer noch sind es nur 13.000 Menschen, die hier Güter und Dienstleistungen für den Umweltbereich produzieren.

Die wissenschaftliche Konkurrenz vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schätzt, daß derzeit 50.000 Menschen in Berlin Arbeit haben, weil Umweltschutz stattfindet. Fast die Hälfte allerdings arbeitet bei der Stadtreinigung und im Abwasserbereich. „Die Menschen in unserer Statistik wissen oft gar nicht, daß sie für den Umweltschutz arbeiten“, räumt auch Dietmar Edler vom DIW ein. Dennoch zeigen die Berechnungen vor allem eines: Die Nachfrage nach „umweltschutzrelevanten Gütern“ ist in Berlin größer als das Angebot. Deshalb, so Edler: „Die Anstrengungen müssen intensiviert werden, Anbieter zu etablieren.“

Eben das versucht die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umwelt und Technologie. Mit zwei Programmen soll der Wirtschaftsstandort Berlin ökologisch aufgepeppt und Arbeitsplätze geschaffen oder gesichert werden. Die „Umweltförderprogramme“ (UFP) und die „Initiative ökologisches Wirtschaften“ (IÖW) werden aus Mitteln der EU und des Landes Berlin finanziert. Bis 1999 sollen mehr als 500 Projekte in kleinen und mittelständischen Unternehmen gefördert werden.

Betriebe werden mit Finanzspritzen ermutigt, ihre Produktion zu ökologisieren oder umweltfreundliche Technologien einzuführen. Das Blockheizkraftwerk im Mehringhof wurde ebenso finanziert wie eine Solartankstelle der Firma Atlantis. Die Spandauer Anlage zur Tierkörperbeseitigung kommt heute ohne Chlor aus, und zudem seien durch die Zuschüsse 20 Arbeitsplätze geschaffen worden. Der Geschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), Stefan Buntscherer, sieht die Förderpolitik des Senats allerdings kritisch: „Die Förderung konzentriert sich zu sehr auf Unternehmen. Auch bei den gemeinnützigen Organisationen könnten im relevanten Bereich Arbeitsplätze geschaffen werden.“ Heute stelle es schon kaum überbrückbare Hindernisse dar, eine ABM-Stelle für seine Organisation bewilligt zu bekommen.

Davon gibt es nicht wenige in Berlin: Rund 3.200 Stellen der Arbeitsförderungsmaßnahmen werden heute dem Umweltschutz zugeordnet. Buntscherer gibt zu: „In Berlin sind viele Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im Umweltbereich gelaufen.“ Doch mit der Ebbe in den Kassen ist dieser Traum ausgeträumt. Christoph Dowe