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Schuld sind immer die anderen

■ Christoph Nitschke: "Das sogenannte Umweltbewußtsein der Deutschen wurde mit inhaltsleeren Indikatoren ermittelt." Der Gründer des Instituts für Umweltbildung im Beruf will Abhilfe schaffen

Umweltschutz und Ökologie im Beruf: Das kann alles und nichts bedeuten, alle und niemanden betreffen. „Die Umweltrelevanz von vielen Berufen wird oft nicht gesehen, weder von den Ausbildern noch von den Berufstätigen selbst“, sagt Christoph Nitschke, Volkswirt und Gründer des Instituts für Umweltbildung im Beruf GmbH (IfUB). „So können beispielsweise Industriekaufleute bei weitem mehr für die Umwelt tun, als es auf den ersten Blick scheint, etwa durch die Auswahl der Lieferanten unter ökologischen Gesichtspunkten.“

1992 gründete Nitschke, zuvor langjähriger Mitarbeiter und zuständiger Fachmann für Umweltbildung beim Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), gemeinsam mit seiner Partnerin Karin Scheinert das IfUB. „Wir wollten der Umweltbildung so ein eigenständigeres Profil verleihen“, so Nitschke. „Berufliche Umweltbildung kann einen Beitrag leisten, die Lücke zwischen der allgemeinen Befürwortung von Umweltschutz und dem tatsächlichen Handeln von Beruftätigen zu schließen. Mit unseren Dienstleistungsangeboten wollen wir dazu beitragen.“ Das IfUB wendet sich an Betriebe, außer- und überbetriebliche Bildungsträger, berufliche Schulen, Hochschulen, Behörden, Gewerkschaften, Kammern, Verbände, Forschungseinrichtungen und internationale Organisationen.

Nach gängiger Meinung gilt das Umweltbewußtsein der Deutschen als hoch. „Dieses sogenannte Umweltbewußtsein wird jedoch meist mit Hilfe inhaltsleerer Indikatoren ermittelt. Wir gehen davon aus, daß Umwelthandeln nicht stattfindet, weil das Bewußtsein noch nicht entsprechend ausgeprägt ist. In Untersuchungen haben wir herausgefunden, daß die meisten Leute über Ursache/Wirkungsketten kaum etwas sagen können. Das Wissen ist sehr bruchstückhaft“, so Nitschke. „Die Antwort nach den Verantwortlichen von Umweltzerstörung ist bei fast allen Befragten die gleiche: Schuld sind immer die anderen.“

Das IfUB besteht aus einem interdisziplinär zusammengesetzten Team von Umweltfachleuten. Je nach Auftragslage arbeiten bis zu zehn Experten beim IfUB. Forschung, Beratung und Bildungspraxis sind die drei Arbeitsschwerpunkte des Instituts.

Die Forschungstätigkeit steht bisher im Mittelpunkt. „Umweltaspekte von Berufsprofilen“ und die „Frage nach der Qualität der Umweltbildung“ waren Themen großangelegter Studien, die das IfUB in den letzten Jahren im Auftrag des Bundesinstitutes für Berufsbildung (BIBB) und des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMBF) erstellt hat. Für das BMBF hat das IfUB eine Untersuchung über die „Ökologisierungstendenzen im Ingenieurberuf als Herausforderung für die Hochschulbildung“ durchgeführt. In diesem Forschungsprojekt mit 15 Monaten Laufzeit konnte ein Überblick über den „Grad der institutionellen Ökologisierung“ der Studiengänge gewonnen werden. Ergebnis: Trotz des hohen bildungspolitischen Stellenwerts der Umweltbildung hat erst jeder fünfte klassische Ingenieurstudiengang im Bereich Umweltschutz etwas zu bieten.

Nach den Erfahrungen Nitschkes ist Umweltbildung auch in Berufsschulen und Betrieben ein stark unterbelichtetes Thema. „Wenn es zur Sprache kommt, wird bisher leider zu 50 Prozent nur über Abfall und Gefahrstoffe informiert.“ Nitschke: „Je kleiner die Betriebe, desto dürftiger die Umweltbildung, sowohl qualitativ als auch quantitativ. Und je weniger die ökologische Relevanz eines Berufs auf den ersten Blick ist, desto geringer sind das Umweltbewußtsein und die Umweltbildung.“ So wüßten beispielsweise Chemiefacharbeiter weit mehr über die Umweltauswirkungen ihrer Tätigkeit als Industriekaufleute.

Das zweite wichtige Standbein des IfUB liegt in seiner Beratungstätigkeit. „Wir haben die wissenschaftliche Begleitung von Modellversuchen übernommen“, erläutert Nitschke. So haben Mitarbeiter des IfUB beispielsweise neue Unterrichtsprojekte zum Thema Umwelt am Oberstufenzentrum Versorgungstechnik in Lichtenberg beobachtet und ausgewertet. Die gewonnenen Ergebnisse sollen dem dortigen Lehrerkollegium helfen, umweltspezifische Unterrichtsinhalte in Zukunft „nachhaltiger“ zu vermitteln.

Der dritte Schwerpunkt des IfUB ist die bildungspraktische Arbeit. Dazu zählen unter anderem die Durchführung von berufsfeldbezogenen oder berufsfeldübergreifenden Tagungen und offenen Seminaren und die Entwicklung umweltbezogener „Bildungsbausteine“ und Materialien. Darüber hinaus bietet das IfUB die Durchführung von Aus- und Weiterbildungsveranstaltungen mit innovativen Lernansätzen wie „berufsbezogener Produktkreislaufbetrachtung, Rollen- und Planspiele und ökologischer Betriebserkundung“ an. So hat das IfUB in Zusammenarbeit für kaufmännischen Auszubildende der Schering AG in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen eine „Umweltwoche“ organisiert. „Den Bereich der Bildungspraxis wollen wir weiter ausbauen“, sagt Nitschke. „Die Aufträge im Forschungssektor werden rar. Im letzten Jahr ist in der Wirtschaft kein Modellversuch im Umweltbildungsbereich mehr vom Bund gefördert worden. Bis dahin war ein kontinuierlicher Anstieg zu verzeichnen.“

„Wir versuchen, unsere drei Standbeine miteinander zu verzahnen. Damit erreichen wir sehr viel Unkonventionalität in unserem Umweltbildungsansatz“, so Nitschke. „Als unsere zweite Stärke sehe ich unser Überblickswissen.“

Durch die bisherige Arbeit wisse man beim IfUB gut Bescheid darüber, was wo wann mit welchem Erfolg im Umweltbildungsbereich in der BRD gelaufen sei und läuft. „Diese Erfahrungen möchten wir weitergeben. Dann wird nicht immer wieder bei Null angefangen. Unser Motto lautet: Lernen aus gelungenen Beispielen.“ Volker Wartmann

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