Polizeieskorte für die Obdachlosen

■ Exbesetzer der Marchstraße sollen auf die „Speerplatte“

Die 20 obdachlosen Exbesetzer aus der Marchstraße und vom Einsteinufer wurden gestern mittag von der Polizei zur „Speerplatte“ am Friedrich-Olbricht-Damm, einem ehemaligen Lagerplatz im Norden Charlottenburgs, gefahren. Dort sollen sie vorübergehend ihre Zelte aufschlagen. Polizeiabschnittsleiter Klaus Keese hatte das Gelände vorgeschlagen, nachdem sich die Obdachlosen auf der Grünfläche Alt-Lietzow niedergelassen hatten. Dort waren sie bis gestern, 13 Uhr geduldet worden. Bürgermeisterin Monika Wissel (SPD) hatte zuvor rat- und konzeptlos die Grünfläche verlassen.

Das Bezirksamt beschloß anschließend, die Obdachlosen vorläufig bis Dienstag zu dulden. Eine Verlängerung um einen Monat ist im Gespräch. Heute soll ein Toilettenwagen aufgestellt werden. Weil ein Investor für die „Speerplatte“ vor kurzem abgesprungen sei, bleibe die Fläche auf absehbare Zeit ungenutzt, erklärte Baustadträtin Beate Profé (Bündnis 90/ Die Grünen). Keiner der Beteiligten halte die Lösung für glücklich, aber die gewonnene Zeit könne für eine endgültige Lösung genutzt werden.

Am Donnerstag abend waren Anträge der Grünen und der SPD zum weiteren Umgang mit den Obdachlosen und den geräumten Häusern in der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg von der CDU abgeblockt worden. Ohne Begründung stufte die CDU die Anträge als nicht dringlich ein, so daß sie erst gar nicht zur Tagesordnung zugelassen wurden.

Auf eine Anfrage der CDU hatte Profé zuvor erklärt, die einzige Bezirksausgabe für die Häuser sei für die Anbringung eines Schildes mit der Aufschrift „Kein Trinkwasser“ im Jahre 1993 angefallen. Kostenträchtig würde erst jetzt die Unterbringung der Odachlosen. „Ich finde es unsäglich, daß bei der Räumung Menschen wie Müll behandelt worden sind“, ergänzte Profé und forderte mehr hauptstädtische Toleranz und Gelassenheit.

Bezirksbürgermeisterin Monika Wissel bezeichnete ein Schreiben von Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) als „Frechheit“. In dem Brief, der erst einen Tag nach der Räumung der Häuser im Bezirksamt eintraf, kanzelte Schönbohm die vom Bezirk angestrebte Beendigung der Hausbesetzung durch eine städtebauliche Gesamtkonzeption als „Wunschdenken“ ab. Nach der Räumung hänge es allein von der Bezirksverwaltung ab, betonte Schönbohm, wie schnell eine praktisch durchführbare Planung entwickelt und umgesetzt werden könne.

Zu Beginn der Sitzung hatten die Exbesetzer auf der Besuchertribüne ein Transparent entrollt und eine menschenwürdige Unterbringung gefordert. Versammlungsleiter Dieter Rochow (CDU) ließ daraufhin die Tribüne räumen. Gereon Asmuth