Prinzip Cappuccino

■ Identifikationsfiguren im Sechserpack: Die Erfolgs- Sitcom „Friends“ ab heute samstags um 16.30 Uhr auf Sat.1

Fortwährend wird in den Stützpunkten der Fernsehindustrie und ihren Satelliten nach der Goldmine gesucht: dem Rezept für eine erfolgreiche Serie mit Langlaufqualitäten. Da es nichts wirklich Neues mehr zu erfinden gibt, entstehen ständig irgendwelche Hybriden, denen oftmals jeglicher Charme abgeht. Dem Autoren- und Produzententeam Marta Kauffman und David Crane hingegen gelang der Coup, einen wirklichen Serienhit zu lancieren. Die Sitcom „Friends“ setzte Modetrends, sonderte einen Singlehit ab, führte zu lebhaften Debatten im Internet, zog prominente Gaststars an – Tom Selleck! Julia Roberts!! George Clooney!!! – und machte sämtliche Hauptdarsteller zu bestbezahlten Branchenstars.

Das Format ist völlig unspektakulär: Sechs junge Menschen jenseits der 20 lungern im Wohnzimmer oder in ihrem Lieblingscafé herum und besprechen Wonnen und Widrigkeiten ihres weithin normalen Lebens. Wo, fragt sich eins, liegt denn da der Witz? Das Verdienst des vom Sitcom-Spezialisten James Burrows („Cheers“) unterstützten kreativen Teams bestand darin, dieses simple Gerüst zu füllen – ansprechende Charaktere zu entwerfen, überzeugende Darsteller zu finden und, das Schwerste überhaupt, mit paßgenauen Skripts zu versorgen. Mit Glück und Können fügte es sich, daß das Produkt dieser Bemühungen den Nerv der über ihr Alter definierten Zielgruppe traf und noch dazu das Interesse eines breiteren Publikums zu wecken vermochte. Voilà: Platz 3 auf der Quotenskala.

Marta Kauffman und David Crane, die Anstifter des Ganzen, machten sich bereits einen Namen mit der mehrfach ausgezeichneten Sitcom „Dream On“ (freitags gegen 1.00 Uhr auf RTL2), in der sie die Befindlichkeit der gut Dreißigjährigen aufs Korn nehmen.

Anders als „Dream On“ ist „Friends“ jedoch ein Ensemblestück. Wählen Sie also Ihren Favoriten: Monica (Courtney Cox), die zwangsneurotische Köchin mit Hang zu Höherem, fungiert, nicht in jedem Falle freiwillig, als Gastgeberin der Clique. Prachtkerl Joey (Matt LeBlanc) ist geistig nicht sonderlich rege, möchte als Schauspieler Karriere machen und wohnt vis-à-vis, gemeinsam mit Chandler (Matthew Perry), einem traurigen Clown mit enormem Erfolgsdefizit. Monicas Bruder Ross (David Schwimmer) fand in der Gruppe Halt, als seine Frau ihre gleichgeschlechtliche Neigung entdeckte und mit einer anderen durchbrannte. Die lange Zeit von jeder Form von Arbeit verschont gebliebene Rachel (Jennifer Aniston) nistete sich bei Monica ein, nachdem sie knapp vorm Traualtar die Kehre machte und Vaters regelmäßigen Scheck gegen die fragwürdigen Freiheiten einer ungesicherten Existenz eintauschte. Das Sextett wird komplettiert durch die flatterhafte, schwer vom New- Age-Bazillus befallene und zum Leidwesen vieler als Folksängerin auftretende Phoebe (Lisa Kudrow).

Der Erfolg von „Friends“ beruht nicht zuletzt auf der homogenen Zusammensetzung des Freundeskreises und dem glücklichen Umstand, daß die sechs Hauptdarsteller privat ähnlich harmonieren wie die Serienfiguren. Für die Produzenten hatte diese enge Beziehung der Stars freilich auch kostentreibende Nebenfolgen: Im Juli traten die sechs Hauptdarsteller traut und einig vor ihre Arbeitgeber und verlangten eine Erhöhung ihrer Gage auf 100.000 Dollar pro Kopf und Folge. Was nach gängiger Praxis zu einem Rausschmiß geführt hätte, wurde hier einvernehmlich und diskret beigelegt – gewiß nicht zum Nachteil der Akteure. Harald Keller