■ Querspalte
: Forrest Gump in St. Gilgen

Frauenzeitschriften führen uns unermüdlich und auf oft beinharte Weise die Doppelwertigkeit anerkannter Phänomene vor Augen. Frauen mit Herz müssen sich, um diese Ambivalenzen aushalten zu können, oft sehr fest anschnallen. Schnappschüsse von Tina Onassis oder – nun schon seit Dekaden – von Elizabeth Taylor beweisen der Welt, daß Geld und Ruhm nicht glücklich und, wichtiger noch, nicht dauerhaft schön machen.

Eine Botschaft, die auch gerne mit Bildern der ohnehin gebeutelten Lady Di im Badeanzug illustriert wird, auf denen zu ahnen ist, daß ihre Schlankheit die Prinzessin zuerst am Bauch zu verlassen beginnen wird, wenn sie nicht weiterhin darauf aufpaßt. Traurig sind diese Fotos, aber eben auch wichtig. Sie helfen uns nämlich, die irritierend breite Lücke zwischen Glamour und Erwachsenenwindeln zu überwinden, für die – auch Inkontinenz gehört schließlich zur Realität – ganz ungeniert in der Frauenpresse geworben wird.

Die britische Lady möchte sich nun ihren Restglamour nicht länger dadurch ruinieren lassen, daß alle Welt weiß, wie es aussieht, wenn sie mit verrutschtem Slip aus dem Pool steigt. Diana hat dem Paparazzi Martin S. gerichtlich untersagen lassen, einen Radius von 300 Metern um sie herum zu betreten.

Gott sei Dank stellt sich unser Kanzler nicht so mädchenhaft an. Die Fotos samt Tier (u.a. Pferde 1990, Kuh und Kalb 1991, Ziegenbock 1992, Kätzchen 1993, Hirsch 1994), mit denen H. & H. alljährlich das Volk aus ihrem Urlaubsdomizil in St. Gilgen grüßen, schließen die von Di gerissene Lücke. Wie der Kanzler gestern in der BamS neben dem Berner Sennhund „Felix“ von der Parkbank lächelte, das war echt Forrest-Gump-mäßig.

Das Ohr des Hundes hat der Kanzler fest gepackt und den linken, wanderbeschuhten Fuß in den Bildvordergrund gestreckt, als gelte zu beweisen, daß er unten an den Senkel trotz seiner Leibesfülle noch rankommt. Manch einem wird's Mut machen: Soviel stabiles Gemüt trotz körperlicher Unpäßlichkeit ist uns Frauen noch nicht gegeben. Claudia Thomsen