Tansu Çiller stirbt für ein Stück Tuch

■ Türkische Außenministerin streitet mit den USA um Fahne und Ehre. Griechenland will Vermittlung im Zypern-Konflikt

Nikosia (AP) – Angesichts der jüngsten krisenhaften Entwicklung auf Zypern hat der griechische Ministerpräsident Konstantinos Simitis am Samstag an die internationale Gemeinschaft appelliert, endlich ihrer Verantwortung nachzukommen und den notwendigen Druck auf die Türkei auszuüben und zur Überwindung der Teilung der Insel beizutragen. Die Demarkationslinie, die Zypern seit der türkischen Besetzung des Nordteils der Insel vor 22 Jahren teile, sei „ein Monument der Schande“, sagte der griechische Premier. An dieser Demarkationslinie waren in der vergangenen Woche bei Protesten gegen die türkische Besetzung zwei griechisch- zyprische Demonstranten getötet und über 80 Menschen verletzt worden. Bereits zuvor hatte der zyprische Außenminister Alekos Michaelides schwere Vorwürfe gegen die türkische Regierung erhoben, die für den Tod und die Verletzung unbewaffneter Demonstranten verantwortlich sei.

Die türkische Regierung protestierte unterdessen in Athen gegen Angriffe von Demonstranten auf ihre Konsulate in Griechenland. Am Freitag war es zu Ausschreitungen vor den türkischen Konsulaten in der nordostgriechischen Stadt Komotini und auf der Insel Rhodos gekommen. Anläßlich der Beisetzung des erschossenen Demonstranten Solomos Spyros Solomou in Paralimni auf Zypern durchbrachen in Komotini Demonstranten die Polizeisperre vor dem türkischen Konsulatsgebäude und verbrannten türkische Flaggen. In Rhodos bewarfen Demonstranten das dortige Konsulat mit Steinen. Solomou war am Mittwoch bei dem Versuch erschossen worden, bei einer türkischen Wachstation eine Flagge vom Mast zu reißen.

Die US-Regierung reagierte am Freitag scharf auf eine Stellungnahme der türkischen Außenministerin Tansu Çiller zum Tod Solomous. Çiller hatte die tödlichen Schüsse gutgeheißen und erklärt: „Wir brechen die Hände, die sich respektlos gegen unsere Fahne erheben.“ Der Sprecher des US-Außenministeriums, Nicholas Burns, erklärte, das Beschützen einer Fahne könne den Vorfall nicht entschuldigen. Menschenleben seien wichtiger als „der Schutz eines Stücks Tuch“. Darauf Çiller am Samstag: „Jeder sollte über seine eigene Fahne sprechen. Wir würden für die Flagge sterben. So sind die Dinge, und so sollen sie bleiben.“