Der taz-Sommerroman: „Dumm gelaufen“ – Teil 32

Schon bald hatten die St. Georgianer wieder einen Grund, und Gründe genug zum Mobben. Alles war wieder St. Georg.

Brook wartete die Zeit mit der Zeit ab: Und auf daß ein Gedankenblitz in seinen Kopf schlug. Alles mit einem Gin Fizz auf dem Tresen. Einem Fliegenfänger unter der Decke, beklebt mit toten Insekten. Einem Spucknapf zu seinen Füßen. Und eine schwarze, schwere Melodie floß aus einem Saxophon an der Wand. Brook wurde Jazz; dunkle Limousinen fuhren durch sein Blut. Maschinengewehrfeuer aus Chicago schnatterte in seinem Kopf.

Und Brook ließ seine Seele klein, schwarz und bitter werden. Sein Blick ruhte auf den Todesanzeigen der Homosexuellen in dem Glaskasten an der Wand, die alle das Opfer von Aids geworden waren.

Warum war es der modernen Wissenschaft nicht möglich, beziehungsweise der Medizin, tötende Tabletten gegen die Viren, Bakterien und Tumore der Verbrechen zu finden. Brook amüsierte sich ein, zwei, drei Sekunden. Das war Spaß genug. Für diese Nacht.

Eine Ungestalt, neben ihm an der Bar, füllte sich mit einem Mississippi Rambler ab. Der Mississippi Rambler schuf sich Platz; veränderte Form und Farbe der Ungestalt, die Brook als Carola identifizierte.

Und Brook wurde Spade, Sam Spade.

„ Ich war es nicht!“entsorgte sich Carola.

„Ich weiß!“ antwortete Brook.

„Sie wissen?“

„Du warst es nicht!“

„Ich weiß!“

„Natürlich, meine Tochter! Du bist keine kleine Verbrecherin!“ Brook kraulte ihr den Damenbart. „Vergewaltigung hin, Vergewaltigung her: Das ist kein Motiv!“ Brook ließ seine Augen wieder klarsehen. Tresen voraus stand weder ein Mississippi Rambler noch die tote Carola. Brook gab sich noch einen Gin Fizz; er wollte unbedingt noch ein paar letzte Worte mit Carola wechseln.

Dick und Doof

Glatter und Poller trinken Whisky, sie sprechen ihren Slang, sie zappen sich eine Geschichte zusammen und sie erzeugen ein tiefes Mißtrauen in Brook.

Sie hatten alles für ihn. Alibis. Ein Alibi von Poller für Glatter. Ein Alibi von Glatter für Poller! Einen einzigen Zeugen. Eine saubere Weste. Schmutzige Unterwäsche. Alles, was ein Kommissar nicht braucht! Und auf der anderen Seite hatten sie Brook auch sehr viel zu bieten: Keine Spur. Keine Indizien. Keine Beweise. Aber einen Wild Turkey.

Glatter trottelte in der ersten Reihe vor dem Fernseher. Er zappte sich mit der Fernbedienung von einem Programm zum anderen. Und schuf sich aus den einzelnen Zitaten der Sender eine Geschichte. Eine Geschichte, die Jean (Bruno Cremer) nicht mehr versteht. Eben hatte der Franzose noch als Held in Algerien Krieg geführt! Zapp! Jetzt gerät er tiefer und tiefer, gerät in ein Reich aus Dunkelheit und Zauber. Er merkt nicht, daß der Teufel (Robert de Niro) persönlich sein neuer Klient ist! Zapp!

(Fortsetzung folgt)

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