Frauengeschichte hier und jetzt

■ Heute startet die Tour mit dem anderen Blick : „Bremer (Un) Freiheit - Frauenleben im 17. Jahrhundert“

„Ich hatte diese romantische Vorstellung vom Meer,“ sagt Christine Holzner-Rabe schmunzelnd über ihre Erwartungen, als sie nach Norddeutschland kam. Mit Mitte zwanzig kehrte die gebürtige Österreicherin ihrem Heimatland den Rücken und zog nach Bremen aufs platte Land. Hier wohnt sie auch jetzt noch, inzwischen verheiratet und Mutter von zwei Kindern. Aber eines ist gleich geblieben: Immer noch interessiert sie sich für die Geschichte der Hansestadt, die sie den BremerInnen unter anderem durch Frauenstadtrundgänge nahezubringen versucht.

Eigentlich wollte Christine Holzner-Rabe nach einer Ausbildung zur Erzieherin Lehrerin werden. Sie begann an der Universität Bremen zu studieren und jobbte nebenbei als Stadtführerin beim Verkehrsverein. Heute nennt sie das „so eine Art Einbürgerung“, weil sie gezwungen war, sich intensiv mit der Bremer Stadtgeschichte auseinanderzusetzen. An der Universität hatte die Studentin dann die Chance, im Zusammenhang eines Projektes über Worpswede am bremischsten aller bremischen Themen zu arbeiten: die Böttcherstraße. Zwar sei, räumt Christine Holzner-Rabe ein, ihr Beitrag damals vergleichsweise bescheiden gewesen, das Projekt aber habe sie auf den Geschmack gebracht.

Als die Wahl-Bremerin dann 1987 ihr Lehramtsstudium beendete, wußte sie, „ich wollte nicht mehr an die Schule.“ Der damalige Einstellungsstop an den Schulen erleichterte ihr die Entscheidung. Durch einen Zufall gelangte sie zur feministischen Geschichtswerkstatt des Kultur- und Bildungszentrums belladonna e.V. Dort arbeiteten Frauen gerade an einem „Frauenlexikon“ für Bremen. Der Hintergrund sei sehr einfach gewesen, so Holzner-Rabe: „Es gibt zwei Bremer Biographien, in denen Hunderte von Männern vorkommen und vielleicht zwölf Frauen.“ Die Recherchearbeiten gestalteten sich als sehr zeitaufwendig: „Man liest ja vieles, ohne überhaupt etwas zu finden.“ Am Ende habe das Geld gefehlt, so daß nur 800 Exemplare des umfangreichen Werkes gedruckt werden konnten.

Genau in diese Zeit sei der 120ste Geburtstag Anna Stieglers gefallen, einer ehemaligen sozialdemokratischen Abgeordneten in Bremen. So entstand die Idee, neben Anna Stiegler den Biographien neun anderer weiblicher Abgeordneter nachzuspüren. Eine davon: „Doktor Verena Rodewald – ich hatte den Namen noch nie gehört.“ Ein halbes Jahr lang versank Christine Holzner-Rabe in alten Dokumenten und Büchern des Staatsarchivs und der Universitätsbibliothek. „Es war überhaupt nichts bekannt gewesen, nur, daß sie Abgeordnete war.“ Die Lebensgeschichte dieser Bremer Politikerin zu rekonstruieren, erwies sich als Grundlagenforschung, deren Ergebnisse später im Buch „Frauen ins Parlament; Portraits weiblicher Abgeordneter der Bremer Bürgerschaft“ veröffentlicht wurden.

Einmal mit dem Gebiet der Frauenforschung in Berührung gekommen, ließ Christine Holzner-Rabe das Thema nicht mehr los. 1991 gründete sie zusammen mit anderen den Verein „Bremer Frauenmuseum“. Der eingetragene Verein macht sich zur Aufgabe, Frauengeschichte zu erforschen und Interessierten näherzubringen. Eigentlich seien Frauen im Museum wegen des allerorts fehlenden Geldes wieder in ihrem Element, sagt sie mit einem sarkastischen Unterton: „Frauen, die arbeiten bis zur Selbstaufgabe.“

Im Dezember '94 richtete Christine Holzner-Rabe eine Begleitausstellung zur Oper über die Giftmischerin Gesche Gottfried im Theater am Goetheplatz aus. Im selben Jahr begann sie eine Stadtführung zu „Gräfin Emma-Und andere Em(m)anzen“. „Es hat einfach keinen Sinn, was zu erzählen, was man nicht irgendwie sieht“, faßt Holzner-Rabe ihr Konzept zusammen.

So führt ihr neuer Rundgang „Bremer (Un)Freiheit- Frauenleben im 17. Jahrhundert“ über die Wallanlagen, das Katharinenkloster, den Dom, die Böttcherstraße und andere Orte zur Wüsten Stätte. Die TeilnehmerInnen erfahren dabei etwas über dei Befestigungsanlagen der Stadt im 17. Jahrhundert, die Richtstätten und die Lebens- und Wohnverhältnisse der Menschen. Zur Sprache kommen die Klippschulen, die Sittenstrenge mit ihrer sexualfeindlichen Mode und Moral, mit ihrer Verhöhnung von Junggesellen und allein lebenden Frauen.

„Frauen werden auch heute noch von der Geschichtsschreibung ausgeschlossen“, bedauert Christine Holzner-Rabe. Aus ähnlichen Gründen hätten im 17.Jh. Frauen zu einer List gegriffen, und getarnt als Männer Politik gemacht. Eine davon war die Bremerin Anna Lühring, die als Soldat verkleidet gegen Napoleon in den Krieg zog, und deren Lebensgeschichte nur eine von vielen innerhalb des Stadtrundganges ist. Clarissa Thieme

Wer neugierig geworden ist, kann morgen und am 27.08. kostenlos am Stadtrundgang „Bremer (Un)Freiheit – Frauenleben im 17.Jahrhundert“ teilnehmen. Beginn ist um 10.00 Uhr an der Schweinegruppe Anfang Sögestraße. Informationen und weitere Termine: Bremer Frauenmuseum, Tel. 211359.