Bosnier sollen bleiben

■ Bremens Ausländerbeauftragte Dagmar Lill war in Bosnien: Flüchtlinge erst mal nicht zurückschicken

Die bosnischen Flüchtlinge in Deutschland sollen vorerst hierbleiben dürfen. Das ist das Fazit, das die Bremer Ausländerbeauftragte Dagmar Lill aus einer Informationsreise durch Bosnien gezogen hat. Eine Woche war eine Bremer Delegation im kriegsversehrten Land unterwegs, „und so dramatisch hatte ich mir die Lage nicht vorgestellt“, sagte Dagmar Lill gestern. Wenn im September die Innenminister und Senatoren des Bundes und der Länder zusammenkommen, dann müsse unbedingt die geplante „Rückführung“ der bosnischen Flüchtlinge verschoben werden. Dafür will sich die Ausländerbeauftragte nun beim Senat stark machen.

Die Bremer Gruppe, vom Senat geschickt, war die erste offizielle deutsche Delegation. Sie traf auf haarsträubende Verhältnisse, berichten die Ausländerbeauftragte und der ASB-Flüchtlingsbetreuer Thomas Pörschke unisono. Die Wohnungsnot ist dramatisch, insbesondere für die „Binnenflüchtlinge“ aus serbisch besetzten Gebieten. Allein in der Stadt Tuzla, die vor dem Krieg 130.000 EinwohnerInnen hatte und aus der 15.000 Menschen geflüchtet sind, leben nun zusätzlich rund 70.000 Flüchtlinge: in Lagern, oft mit bis zu 24 Personen in einem Raum, unter minimalen hygienischen Verhältnissen. Oder sie leben wie andernorts in Wohnungen, in denen vorher serbische Familien gewohnt haben. Diese Vorbesitzer haben allerdings das Recht auf Rückkehr, zu der sie von den bosnischen Behörden auch ermuntert werden. Für die Flüchtlinge bedeutet das eine völlig ungesicherte Existenz.

„Das Schlimmste war für mich die Perspektivlosigkeit der Flüchtlinge“, berichtet Thomas Pörschke. Viele seien gleich mehrfach vertrieben worden, „und die Leute aus Srebrenica hoffen immer noch, daß verschollene Verwandte am Leben sind.“ In diese Lage könne man keine weiteren Flüchtlinge schicken, meint Dagmar Lill. „Wenn Außenminister Kinkel meint, die Leute sollten in Selbsthilfe die Ruinen wieder herrichten – es fehlt nicht an qualifizierten Fachkräften, es fehlt an Baumaterial.“ Von den geschätzten zwei Millionen Minen, die immer noch in Bosnien liegen, ganz zu schweigen.

Zur Wohnungsnot kommt die katastrophale Versorgungslage. noch seien die Läden voll mit Obst und Gemüse, aber, so Pörschke, „es gibt keine Konservierungsmöglichkeiten für den Winter.“ Die Spendenbereitschaft habe nachgelassen, viele Familien würden alleine vom UN-Kommissar für Flüchtlinge versorgt: pro Monat sechs Kilogramm Mehl, 600 Gramm Bohnen und ein Drittelliter Öl. In vielen Regionen läge die Arbeitslosigkeit bei 90 Prozent. Viele, die Arbeit haben, bekommen seit Monaten kein Gehalt. Und das Gehalt, das ausbezahlt wird, reicht vorne und hinten nicht. Der Polizeipräsident der Stadt Lukavac beispielsweise verdient 40 Mark im Monat.

Solange all diese Probleme nicht ansatzweise gelöst seien, müßte es ein Bleiberecht für BosnierInnen geben, so Lill. Mindestens bis zum Frühjahr nächsten Jares. J.G.