■ Vorschlag
: Die Melvins und Prong im SO 36

Die Melvins seien an allem schuld, hieß es eines Tages schon fast entschuldigend aus Seattle, und dann schoß sich Kurt Cobain eine Kugel durch den Kopf. Was natürlich Quatsch ist, aber immerhin den Melvins eine gewisse Reputation und einen Major-Vertrag verschafft hat. Das ist schön für sie, macht ihr zähflüssiges, nun schon zwölf Jahre währendes Abarbeiten an den 70er Vorbildern (vor allem Black Sabbath) aber auch nicht massenkompatibler. Das hat sich auch auf „Stag“ nicht geändert, der neuen Melvins-Platte, die halt ebenso sicher kommen muß wie der Regen in diesem Sommer.

Das knüppelt und schleift und rotiert so vor sich hin, daß einem die üblichen Worte einfallen: Dekonstruktivismus, Essenzrock und ähnliches. Doch dann reißt plötzlich der Faden, sind die Melvins irgendwie nicht mehr die Melvins und wird aus den drei Jungs aus dem Staate Washington plötzlich so was wie eine Avantgardeband. Vielleicht aber haben sie beim Verlangsamen auch nur ein paar Schmerzgrenzen überschritten. Vielleicht hätte die Sitar zu Beginn und dieses Blasinstrument mißtrauisch machen sollen. Auf jeden Fall pluckert, tröpfelt, fiepst und rhythmuswechselt es, daß es eine wahre Pracht ist. Dann aber wieder klingt ein Song plötzlich nicht mehr wie eine Metallica-Karikatur, sondern wie die echten Metallica. Verstehe das, wer will. Und dann ist da noch das letzte Stück: „Cottonmouth“ wird eingeleitet vom Tuten einer Lokomotive und haucht dann einem schlichten Blues das letzte Lebenslichtchen aus. Sterbenskranke zwei Minuten, aber wunderhübsch.

Wo die Melvins momentan in alle Richtungen streben, beschränken sich Prong auf das Nötigste. Zwar haben sie sich für ihre letzte Platte, „Rude Awakening“, den Keyboarder von Nine Inch Nails und noch ein paar Sampler ausgeliehen, aber ihrem Hauptsache-es- knallt-Hardrock fügen sie auch mit dem technischen Krimskrams kaum etwas Neues hinzu. Immerhin sind die New Yorker das Beste, was einem an einem Abend mit Gitarren und ohne Überraschungen passieren kann. Nur dumm für Prong, wenn man da ausgerechnet mit den Melvins konkurrieren muß. Thomas Winkler

Heute, 21 Uhr, SO 36, Oranienstraße 190