SPD will Namen Ehre machen

■ Berlins Sozialdemokraten entdecken das "Soziale" wieder: Familien am Rande der Armut und Modernisierungsverlierer sollen Mittelpunkt ihrer Politik werden

Die SPD will ihr soziales Profil schärfen. Die Partei stellte gestern zwei Projekte vor, die den „prekären Wohlstand“ aufgreifen: Die Sozis wollen jenen 75 Prozent junger Berliner Familien helfen, die zwischen Wohlstand und Armut leben – oftmals trotz Berufstätigkeit. Zusammen mit ihrem jungsozialistischen Nachwuchs will die SPD zudem ein Berlinbild für das Jahr 2010 entwerfen, das Modernisierungsverlierern ein Auskommen sichert. Das beschloß die Parteispitze am Wochenende.

Die SPD müsse „sozialer als die CDU sein, aber auch ehrlicher zu den Leuten“, skizzierte Landesgeschäftsführer Rudolf Hartung die gewünschte Parteilinie. Die soll als ersten jungen Familien zugute kommen. Dreiviertel der Lebens- und Erziehungsgemeinschaften stünden monatlich 2.400 Mark und weniger zur Verfügung. Um diese Familien will sich die SPD kümmern, indem sie die Zielgenauigkeit staatlicher Leistungen wie Sozialhilfe, Kindergeld oder Arbeitslosenunterstützung erhöht und indem sie die Freibeträge vereinheitlicht, die in den Steuergesetzen willkürlich und unterschiedlich seien, sagte Hartung.

„Wir dürfen diesen Bevölkerungskreis nicht weiter belasten“, forderte auch der SPD-Landesvorsitzende Detlef Dzembritzki für jene Familien, die im „prekären Wohlstand“ leben. Der SPD-Chef hat den Begriff aus der neuen Armutsforschung, die davon ausgeht, daß ein Großteil der Haushalte in Deutschland mit einem Durchschnittseinkommen von knapp 2.000 Mark auskommen muß. Dzembritzki und Hartung machten keinen Hehl daraus, daß sie zum Schutz der Familie „kein fertiges Konzept aus dem Hut ziehen können“. Die Bündnisgrünen kommentierten in einer Pressemitteilung bitter: Beim Haushaltsstrukturgesetz hätte die SPD die Familie „nicht als zu schützende, sondern zu schröpfende Bevölkerungsgruppe auserkoren“.

Die Jusos wollen unterdessen ein „grundlegendes neues Stadtkonzept in die Partei hineintragen“, sagte ihr Vorsitzender Matthias Linnekugel der taz. Zum Teil ist dies den Jungsozialisten bei der SPD-Klausur am Wochenende bereits gelungen. Ihre Arbeitsgruppe Berlin 2010 wurde gestern von Dzembritzki und Hartung zum sozialdemokratischen Think-tank geadelt. Mit den Verlierern von Rationalisierung und Modernisierung solle „eine Vorstellung darüber entwickelt werden, wie die Stadt in 20 oder 30 Jahren aussehen soll“, sagte Linnekugel. Die Jusos wollen mit Jugendlichen und Älteren, BerufsumsteigerInnen und Menschen, die allein erziehen, den Dialog suchen. Die SPD wünscht sie sich als WählerInnen. Christian Füller