Immer mehr verkaufte Kindheiten

■ Kinderhilfsorganisationen fordern, die weltweit gestiegene Kinderprostitution energischer zu bekämpfen

Bonn (taz) – Die Kinderprostitution durch Sextouristen in den Ländern Asien und Afrikas nimmt weiter zu, und die Täter werden nur unzureichend bestraft. Dieses ernüchternde Fazit zog die „Deutsche Arbeitsgemeinschaft gegen Kinderprostitution im Sextourismus“ gestern in Bonn. Im Vorfeld des „Ersten Weltkongresses gegen die kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern“, der von 27. bis 31. August in Stockholm stattfindet, übergaben VertreterInnen der Arbeitsgemeinschaft der Vorsitzenden der Kinderkommission des Bundestages, Dorle Marx (SPD), 18.000 Unterschriften. Damit forderten die in der Arbeitsgemeinschaft vertretenen 24 regierungsunabhängigen Organisationen (NGOs) die Bundesregierung auf, schärfer gegen Kinderprostitution vorzugehen. Deutsche Verbindungsbeamte sollten in den betroffenen Ländern Ermittlungen gegen die mutmaßlichen Täter durchführen und die vor Ort arbeitenden NGOs bei Verhandlungen mit den lokalen Behörden unterstützen. Renate Vacker von der Kindernothilfe mahnte außerdem ein Entwicklungshilfeprogramm zur Minderung der Armut in diesen Ländern an, damit Eltern nicht gezwungen seien, ihre Kinder in die Prostitution zu schicken.

Auch müßten nach Ansicht Vackers die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten zur Bestrafung der Täter besser ausgeschöpft werden. Seit 1989 existiert eine Kinderrechtskonvention der UNO, der bis heute 178 Staaten beigetreten sind. Seit 1993 ist in der Bundesrepublik ein Gesetz in Kraft, das den sexuellen Mißbrauch von Kindern auch im Ausland unter Strafe stellt. Bislang ist von geschätzten 10.000 Kindersextouristen jedoch erst einer rechtskräftig verurteilt, so Vacker.

Auch die Behörden in den betroffenen Ländern wie den Philippinen, Thailand oder Sri Lanka stellen immer noch die Einnahmen aus dem Tourismus über die Bekämpfung der Kinderprostitution, sagte die Kinderschutzaktivistin. Deshalb müßten besonders die deutschen Reiseveranstalter ihre Kunden auf die zumeist drakonischen Strafen aufmerksam machen, die in diesen Ländern auf Kinderprostitution stehen.

Der Stockholmer Weltkongreß, der von der schwedischen Regierung mit Unicef und zahlreichen NGOs veranstaltet wird, will unter anderem Strategien erörtern, wie den Kinderprostituierten eine Wiedereingliederung in ein normales Leben ermöglicht werden kann und wie die bestehenden Gesetze besser umgesetzt werden können. Die Delegation der Bundesregierung in Stockholm wird von Bundesaußenminister Klaus Kinkel (FDP) und Bundesjugendministerin Claudia Nolte (CDU) angeführt. Nolte will sich für ein Aufklärungsprogramm in Deutschland einsetzen sowie für eine stärkere Bekämpfung der Armut in den betroffenen Ländern. Christa Dammermann von der Menschenrechtsorganisation terre des hommes erklärte, in erster Linie müsse eine Verhaltensänderung bei den Tätern erreicht werden. Dammermann erwartet von der Bundesregierung eine tatkräftige Unterstützung der Arbeit der NGOs – als Vorbild nannte sie die Kampagne „Keine Macht den Drogen“. Dazu seien aber „mehr als nur Lippenbekenntnisse“ der Jugendministerin nötig. Jochen Pfender