■ Die Bilanz von Netanjahus Politik fällt negativ aus
: Nicht friedenswillig

Die israelische Regierung setzt Zeichen. Unmißverständliche. Auf dem Golan werden 300 neue Wohncontainer aufgestellt. Der Innenminister will zwei Siedlungen bei Ostjerusalem annektieren. Infrastrukturminister Ariel Scharon plant gar, die Siedlung Kiryat Arba, Trutzburg der fundamentalistischen Araberhasser, bis in die Hebroner Altstadt ausdehnen. Zu dem seit März diesen Jahres überfälligen Abzug aus Hebron kann die israelische Regierung sich immer noch nicht entschließen. Bei seiner Blitzvisite im besetzten Südlibanon droht Ministerpräsident Bibi Netanjahu Syrien unverblümt mit „sehr schmerzhaften Vergeltungsschlägen“. Ein Treffen zwischen Netanjahu und Arafat ist nicht einmal ins Auge gefaßt. Offen erklärt die israelische Regierung, das Abkommen mit der PLO sei nicht ihr Abkommen. Und Land gegen Frieden nicht ihr Motto. Drei Jahre nach der Paraphierung des ersten Abkommens zwischen der PLO und Israel steckt der nahöstliche Friedensprozeß in seiner tiefsten Krise.

Verbal steht die israelische Regierung zu ihren Verträgen mit der PLO, Jordanien und Ägypten. De facto läßt sie nichts aus, um ihre tatsächlichen und potentiellen Friedenspartner zu brüskieren und zu demütigen. Die USA und Europa warten ab und hoffen auf israelische Einsicht und Besserung. Die arabische Welt steht ziemlich machtlos da. Syrien läßt die Muskeln spielen und testet Scud-Raketen. Hisbollah darf weiterbomben und -schießen. Jordanien wird von Wirtschaftskrisen und Brotaufständen erschüttert und übt sich gegenüber Israel und den USA in lammfrommer Bußfertigkeit. Ägyptens Präsident Hosni Mubarak vermittelt und vermittelt. Aber bewegen kann er nichts. Und Jassir Arafat steht mit dem Rücken zur Wand. Macht, allzu oft brutale, demonstriert er nur gegenüber seiner eigenen Bevölkerung.

Wut, Demütigung und Machtlosigkeit auf arabischer Seite werden die Reihen der Islamisten füllen und die arabischen Regime destabilisieren. Die Friedensvision von einem Commenwealth der Staaten im Nahen Osten verwandelt sich in eine flimmernde Fata Morgana. Die israelische Politik der Landnahme und faktischen Annektion kann nur von den USA gebremst werden. Es wäre freilich fatal, wenn Bill Clinton erst seine Wiederwahl abwarten würde. Georg Baltissen