Der Herr der Ampeln

Die Verkehrsregelungszentrale in Kreuzberg ist Schaltstelle für die Ampeln der ganzen Stadt. Bei Demonstrationen und Staatsbesuchen herrscht stets Hochbetrieb  ■ Von Uwe Rada

Wenn es um Verkehrsampeln geht, ist Jürgen Schulze in seinem Metier. Der „Herr der Ampeln“, wie seine Kollegen den Leiter der Verkehrsregelungszentrale in der Golßener Straße nennen, kennt die meisten „Lichtzeichenanlagen“ auswendig.

Und das ist keine geringe Leistung: 1.855 Kreuzungen werden in der Stadt derzeit per Ampelschaltung geregelt. 1.350 davon befinden sich im Westteil der Stadt. Die Verkehrsregelungszentrale ist gewissermaßen das Hirn der polizeilichen Verkehrsregelung. 1.482 Ampeln nämlich sind zentralgesteuert, können von Jürgen Schulze und seinen Mitstreitern per Wandbild kontrolliert und per Computertastatur an- und ausgeschaltet werden.

Insbesondere bei Demonstrationen und Staatsbesuchen herrscht in der Ampelzentrale Hochbetrieb. „Wenn ein Staatsmann mit Motorradkeilformation durch die Stadt fährt“, ist das allerdings kein Problem“, sagt Jürgen Schulze. „Das ist und bleibt eine Kolonne, egal wie oft der rumgereicht wird.“ Ein Staatsmann kann Schulze folglich nicht aus der Fassung bringen. „Der will sich schließlich sehen lassen und fährt gemütlich mit 40 Sachen durch die Stadt.“ Zeit genug für Schulzes Truppe, die Ampeln vor der Kolonne aus- und diejenigen dahinter anzuschalten.

Sein wichtigster Partner dafür ist der polizeiliche Verkehrsdienst, abgekürzt VKD. Der ist nicht nur für die Überwachung von Lkw- Ruhezeiten, Radarkontrollen, Mausefallen und die Sicherheit der Erstkläßler zuständig, sondern regelt bei Demonstrationen und anderen Anlässen den Verkehr vor Ort. „Per Funk“, sagt der Referatsleiter des VKD, Hauck, „wird der Standort des Aufzuges dann an die Verkehrsregelungszentrale weitergeleitet.“

Vor andere Probleme sind die Verkehrsregler allerdings gestellt, wenn gleich mehrere Staatsgäste oder hochrangige Personen in der Stadt weilen, wie zuletzt bei der Nato-Tagung oder dem Treffen der EU-Außenminister. „Die rauschen dann manchmal schneller, als es die Polizei erlaubt, durch die Stadt, und das manchmal in 40 oder 50 Kolonnen“, weiß Schulze. Bei diesen Anlässen wird in der Verkehrsregelungszentrale dann auch mit doppelter Belegschaft gearbeitet. „Die einen haben den Funkkontakt zum VKD, die andern stellen die Ampeln ein und aus“, sagt Schulze.

Gleichwohl herrscht in der Golßener Straße eine gemütliche Atmosphäre und ein für Polizeiverhältnisse überraschend lockerer Ton. Allzuviel zu tun gibt es im Normalfall freilich nicht. Wenn eine Ampel ausfällt, wird sie vor Ort überprüft, und in Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Abschnitt wird entschieden, ob die Verkehrspolizei die Verkehrsregelung übernimmt. Aber auch die Überwachung der neun Tunnelanlagen, zumeist auf der Stadtautobahn, ist ein eher ruhiger Job. 85 Kameras kontrollieren hier den Verkehrsfluß im Tunnel und geben notfalls auch akustisch Alarm, wenn ein Unfall passiert und der Tunnel gesperrt werden muß.

„Manchmal kommen hier Leute rein, die haben im Fernsehen Bilder über die Verkehrsüberwachung in Atlanta gesehen, wo die Zentrale fünfmal so groß ist wie die unsrige und viel mit Videoüberwachung gearbeitet wird. Die Besucher wundern sich dann, wie wenig spektakulär es bei uns ist“, grinst Schulze. Zwar gebe es auch in Berlin Leute, die den verstärkten Einsatz von Videoüberwachung an Ampelkreuzungen fordern. „Aber im Zweifel erledigt sich das wegen des knappen Geldes ohnehin.“ Von Überwachugsstaat kann in der Verkehsregelungszentrale tatsächlich kaum die Rede sein. Auf den Monitoren, die den Blick auf den Tunnel zum Flughafen Tegel freigeben, sind nicht einmal die Autokennzeichen zu erkennen, geschweige denn, daß sich die Bilder per Recorder aufzeichnen ließen. „Wir sind eben keine operative Einheit“, schmunnzelt Schulze, „sondern liefern Dienstleistungen.“

Weitaus schwieriger wird es für Schulze, wenn es um die Neuinstallation von Ampeln geht. Das Geld ist kanpp, die Bezirke und Polizeiabschnitte kämpfen deshalb verbissen um jede der etwa 80 Lichtzeichenanlagen, die pro Jahr noch errichtet werden. Der Weg zur neuen Ampel ist dabei ebenso schwierig wie bürokratisch. Wird für eine Kreuzung eine neue Ampel gefordert, prüft zunächst der zuständige Polizeiabschnitt. Dessen Votum wird schließlich dem Landespolizeiverwaltungsamt übergeben, wo der „Napoleon der Ampeln“ (Schulze) schließlich grünes oder rotes Licht gibt. Bei Grün geht die Ampel dann als Vorgang zur Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr, die den Auftrag schließlich erteilt.

Ein anderer Auftrag läßt allerdings seit geraumer Zeit auf sich warten: der seit Jahren geplante Neubau der Verkehrsregelungszentrale am Columbiadamm. 40 Millionen Mark soll der Neubau kosten. Doch fürs erste hat der Senat die Investition storniert.