Staatsanwaltschaften gegen Liga-Führer Bossi

■ Norditaliens Sezessionisten-Chef soll wegen Aufruf zur Gewalt vor Gericht

Rom (taz) – Lange haben sie ihn gewähren lassen, doch nun soll es knüppeldick kommen für Umberto Bossi (55), Chef der Liga Nord und Vormann von deren härtestem sezessionistischen Kern. Gleich drei Staatsanwaltschaften, darunter die von Mailand und von Brescia, haben vom italienischen Parlament die Aufhebung der Immunität Bossis verlangt. Anlaß sind die in verschiedenen öffentlichen Auftritten des Liga-Führers mehrfach wiederholten Sprüche, nach denen man die Mitglieder der Rechtspartei Nationale Allianz, sollte diese sich weiter zum „Herold unauflöslicher Einheit dieses korrupten Staates“ machen, „einzeln aus ihren Häusern holen und vertreiben“ werde, sowie seine Ankündigung, die Liga werde sich schon in den nächsten Wochen eine eigene Polizei zulegen.

Auch sämtliche Parteimitglieder, die nicht mit seinem Kurs einverstanden sind, will der rauhbeinige Sezessionist nicht nur aus der Liga Nord werfen, sondern noch weiter gehen: Liga-Mitglied Irene Pivetti, bis Anfang des Jahres Präsidentin des Abgeordnetenhauses, die sich gegen Bossi gestellt hat und die er nun als „Kreatur des Vatikan“ denunziert, will er „politisch tot an den Absender zurückschicken“. Für Antonio Di Pietro, vormals Chefermittler in Sachen Korruption und nunmehr Minister für öffentliche Arbeiten, will Bossi gar schon „eine schöne Gefängniszelle in unserer Republik der Po-Regionen“ vorbereiten lassen – Di Pietro hatte öffentlich die Einleitung eines Strafverfahrens gegen Bossi gefordert, nachdem dieser die nationale Einheit in Frage gestellt hatte. Den derzeitigen Parlamentspräsidenten Luciano Violante, der die Regierung zum „Handeln in Sachen Sezessionismus“ aufgefordert hatte, verunglimpfte Bossi als „Oberfaschisten und Stalinisten, der überall im Hintergrund die Fäden gegen uns zieht“. Für die Staatsanwälte erfüllen diese sprüche den Tatbestand der Volksverhetzung, Aufruf zur Gewalt und auch zur Neugründung einer faschistischen Partei. Der Vorsitzende des Immunitätsausschusses hat inzwischen angekündigt, daß sich sein Gremium bereits in der ersten Septemberhälfte mit dem Antrag befassen wird.

Italiens Presse, die Bossis Ausfälle und auch den 15. September als „Unabhängigkeitstag der Republiken der Po-Regionen“ eher als Sommerspektakel begriffen hatte, sieht die Lage inzwischen doch als ernster an. Nahezu alle Medien fordern die Regierung Prodi auf, ihre Einstellung zu den Vorfällen in einer Regierungserklärung darzulegen. Prodi hingegen will erst Anfang September im Kabinett über die Sache sprechen, wenn auch der Minister für Verfassungsreform, Bassanini, einen detaillierten Bericht über die bisher eingeleiteten Maßnahmen zum Umbau des Staates in eine mehr föderative Republik vorlegt.

Bossi scheint entschlossen, einfach weiterzumachen. Die Nachricht von den Strafverfahren hat er zunächst mit einem saftigen „Leckt mich alle am Arsch!“ kommentiert – bis ihm auffiel, daß sich da was draus machen läßt. Gestern nun forderte er selbst die Aufhebung seiner parlamentarischen Immunität: „Wenn sie dem Norden den Prozeß machen wollen, bitte. Die Geschichte läßt sich nicht aufhalten. Das ist alles nur Werbung für die Liga.“ Werner Raith