AKW nicht sakrosankt

■ Leukämiereaktor Krümmel kommt endlich vor Gericht

Ein Atomkraftwerk ist verwaltungstechnisch gesehen eben doch eine ganz normale Industrieanlage. Und wenn man einen solchen Meiler umrüstet, muß man das – in Deutschland – genehmigen lassen. Vor allem muß überprüft werden, ob das so schön umgerüstete Atomkraftwerk auch nach neuesten Erkenntnissen – zum Beispiel über jene zu Leukämierisiken – sicher genug ist.

Als AKW-Manager kann man sich künftig nicht mehr auf die Gültigkeit alter Genehmigungen zurückziehen: Das hat die Branche nun auch schriftlich bekommen, gestern vom Bundesverwaltungsgericht.

Die Berliner Richter haben den Atommanagern der Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW), die das partout nicht einsehen mochten, damit vors Schienbein getreten.

Die Atomlobby glaubte bislang, daß sie außerhalb von Recht und Gesetz steht. In Krümmel an der Elbe wollte man die Umrüstung des Atommeilers einfach ohne öffentliches Genehmigungsverfahren vornehmen. In Obrigheim am Neckar ließ man sogar einen Atommeiler zwanzig Jahre ohne abschließende Genehmigung laufen. Und das AKW Mülheim-Kärlich setzen die atomaren Bauherren einfach an eine andere Stelle als genehmigt. Sie gingen davon aus, damit locker durchkommen zu können. In allen drei Fällen haben die staatlichen Stellen bei dieser Rechtsbeugung mitgespielt.

Der rechtsstaatliche Sieg der Atomkraftgegner vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) macht Hoffnung. Auch die Betreiber anderer AKW werden sich künftig genauer überlegen, ob Veränderungen in ihrem strahlenden Betrieb möglicherweise genehmigungspflichtig sind. AtomkraftgegnerInnen können sich ermutigt fühlen, diese Frage vor den Gerichten prüfen zu lassen.

Das Berliner Urteil, nach dem nämlich der ganze Fall noch einmal von vorne aufgerollt werden muß, hat allerdings auch einen dicken Pferdefuß für die Atomkraftgegner. Wenn das Verfahren neuerlich beginnt, wird die Kasse eines nicht gerade wohlhabenden Umweltverbandes beim Kampf gegen den staatseigenen Stromkonzern heftig strapaziert. Doch darf ein rechtsstaatliches Verfahren nicht daran scheitern, daß der Klägerseite keine Mittel mehr zur Verfügung stehen. Hermann-Josef Tenhagen