Gysi hält Brie nicht für Käse

■ Gregor Gysi unterstützt den PDS-Vordenker André Brie und fordert die Öffnung der Partei nach Westen

Berlin (taz) – Gregor Gysi versucht dem PDS-internen Streit die Schärfe zu nehmen. In einem elfseitigen Papier, das der taz vorliegt, kritisiert er einige Äußerungen seines Vorstandskollegen André Brie, der die Debatte ausgelöst hatte, gleichzeitig unterstützt Gysi aber dessen Grundforderungen. Der Vorsitzende der PDS-Bundestagsgruppe warnt seine Partei vor einer Verklärung der DDR, übt scharfe Kritik an der Kommunistischen Plattform und spricht sich für eine Beteiligung der PDS an Regierungen aus. Gysi schlägt in seinem Papier einen ruhigeren Ton an als Brie und begründet seine Positionen ausführlicher als dieser. Dennoch gibt er zu erkennen, daß ihn von Brie wohl nur die Art und Weise trennt, mit den Problemen der Partei umzugehen.

In dem Diskussionspapier fordert Gysi die PDS-Mitglieder auf, sich einzugestehen, daß sie an der Gestaltung des real existierenden Sozialismus gescheitert sind. Die antikapitalistische Haltung der PDS sei nur in dem Maße glaubwürdig und überzeugend, wie sie mit der Kritik am undemokratischen Charakter des real existierenden Sozialismus einhergehe.

In der Frage einer möglichen Regierungsbeteiligung der PDS hat Gysi seine bisherige Position nicht geändert. Die Partei werde zur außerparlamentarischen und parlamentarischen Zusammenarbeit bereit sein müssen, auch in Form der Tolerierung von Minderheitsregierungen und gegebenenfalls sogar in Form von Koalitionen. „Wäre eine Antwort in dieser Diskussion ein prinzipielles Nein, würden wir uns partiell aufgeben, würden wir uns aus der politischen Auseinandersetzung verabschieden.“ Voraussetzung für eine Zusammenarbeit sei allerdings, daß die PDS akzeptiert werde, wie sie ist.

Bries Auffassung, die PDS müsse ein positives Verhältnis zum Grundgesetz und zur parlamentarischen Demokratie entwickeln, hält Gysi prinzipiell für richtig, aber in der Verkürzung für mißverständlich. Man könnte meinen, die PDS habe zu beidem ein negatives Verhältnis, auch noch im Unterschied zu anderen Parteien. Aber „im hegelschen Sinne hat eher noch gar keine Partei in Deutschland ein konstruktives Verhältnis zum Grundgesetz und zur parlamentarischen Demokratie. Die PDS hätte am ehesten die Chance, ein solches zu entwickeln.“ Das verlange von der PDS allerdings auch, sich nicht im Osten einzuigeln. Brie habe recht, wenn er von der Partei verlange, in der bundesdeutschen Gesellschaft anzukommen.

Gysi geht mit der Kommunistischen Plattform hart ins Gericht. Wer undemokratische und antiemanzipatorische Sozialismusvorstellungen verteidigt, der habe in der PDS „nichts zu suchen“. Eine Trennung von der Kommunistischen Plattform lehne er aber ab. „Meine Forderung ist nicht keine, sondern eine andere Kommunistische Plattform.“ Alle Teile der Partei müßten antistalinistisch sein. Dennoch müsse auch die PDS Grenzen ziehen. „Keine Struktur innerhalb der PDS hat das Recht, Partei innerhalb der Partei zu sein.“ In einem Interview mit der Frankfurter Rundschau kündigte Gysi dahingehend Veränderungen am Parteistatut an, um die innerparteilichen Gegner zu disziplinieren.

Mit den Äußerungen von Brie, so Gysi in dem Papier, habe in der PDS eine neue Diskussion begonnen. Sie wird am heutigen Donnerstag und am Freitag auf einer Klausurtagung der Parteispitze bei Waren an der Müritz fortgesetzt. Daran nehmen neben Gysi der Parteivorsitzende Bisky und alle PDS-Landeschefs aus Ostdeutschland teil. Jens König