■ Urdrüs wahre Kolumne
: Gemeuchelte Räuchermännlen

Da ich an diesem Wochenende wieder mal in Bremen weile, kommt es mir sehr gelegen, daß in Hannover gleichzeitig für 60.000 erwartete BesucherInnen und mehr die „Reincarnation Parade“ mit Laff, Piss und Juniti durch die Innenstadt holpert und damit der ekelerregend lustige Bodensatz der bremischen Raver-Zunft vermutlich en bloc per Gruppenbilligticket in die Welfenmetropole abzischt. Und habe ich mir geschworen, diese jungen Leute nie und nimmermehr verstehen zu wollen: Wer dem Völkchen immer nur hinterherrennt, sieht am Ende stets das Arschgesicht.

Mag in Rotenburg/Wümme heute Keglerball sein und in Walle Stadtteilfest: Das Heil kommt der Menschheit aus Oldenburg an der Hunte, wo der leitende Regierungsdirektor a.D. Ernst Heinrichsohn zum 1. August 1996 einen Weltbürgerverein zur Rettung der Erde gründete, dem anzugehören einer jeglichen LeserIn dieser Zeilen angenehme Pflicht sein sollte: Wer aufrichtig der Sache des Guten zum Sieg verhelfen möchte gegen finstere Mächte wie ADAC, Reservistenverband und Wassersportverein Gröpelingen, der melde sich unverzüglich unter Tel. 0441/45062.

Auch ich schließe mich der Forderung des Großen Vorsitzenden Berni Neumann nach sofortiger Entlassung von Generalstaatsanwalt Hans Janknecht an: Räumen wir gemeinsam auf im Augiasstall der Klassenjustiz! Reißt den Bütteln bürgerlicher Gewaltherrschaft die Maske des Bocks von der Fratze des Pollachs. Zeigt ihnen, wo der Sanitätsgefreite seine Wirtin hat. Und vor allem: Bildet Banden!

Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Motorradfahrer hat jetzt den Status eines eingetragenen Vereins. Zur Vorbereitung des norddeutschen Motorradgottesdienstes in Hannover am 14. September werden noch Gesangs- und Instrumentalgruppen zur gemeinsamen Darbietung der Jesusrockerhymne gesucht: „Fahr nicht schneller als dein Schutzengel fliegen kann.“ Demo-Tapes bitte an Pfarrvikar UrDrü zur Weiterleitung unter Kennwort Kutten-Power!

In Vorbereitung eines Fortsetzungsromans für die Bremer taz zur Vorweihnachtszeit werden noch jede Menge rabiater Gewaltphantasien gesucht. Schön wäre es, wenn Tip-Geber gleich auch noch hinzufügen, wen sie zum Beispiel in einem heimtückisch inszenierten Tannenbaumbrand als Räuchermännlein gemeuchelt wissen wollen und welche Grünen-Abgeordnete beim Lebkuchenbacken in den Teig fallen soll. Interessierte GegnerInnen des Projektes können für Betroffenheitsübungen in der Tremolo-Abteilung der Antje Vollmer-Atemschule schon mal das erste Kapitel anfordern, in dem ein ehemaliger Parlamentspräsident in den Katakomben der bremischen Bürgerschaft als Phantom wütet, blutjunge Abgeordnete per Gummiring-Katapult mit Büroklammern beschießt und... Aber lesen Sie selbst!

„Wie hält man das in der Provinz aus?“, fragt gelegentlich der Besucher aus dem Babel der Metropole den alternden City-Flüchtling beim Eisschlecken auf dem fachwerkumsäumten Marktplatz. Und dann bekommt der Gast wortlos die Heimatzeitung herübergereicht und liest dort in den Familienanzeigen eine Annonce wie diese, mit Herzchen umkränzt: „Herrlich sind des Himmels Sterne/ Schön das Blümlein auf dem Feld/ Aber eine fitte Oma/ ist das Schönste auf der Welt.“ Verantwortlich zeichnen Patrick, Daniela, Marina und Florian. Ist die Aussicht auf soviel spätes Lebensglück nicht Grund genug? Zumal Bremen ja nun mit der Stillegung des letzten richtig öffentlichen Paternosters längst jeden Anspruch auf Urbanität aufgegeben hat.

Den allerschönsten Freitag wünscht allen, die nicht gerade als Bischof im Internet tätig sind,

Ulrich Reineking- Bindestrich