"Wir sind die jungen Angepaßten"

■ Eine Chance für den Nachwuchs? Im Juni inszenierten Katka Schroth und Christoph Roos in der Probebühne der Schaubühne ein neues Stück. Jetzt aber wollen beide das Theater verlassen. Ein Gespräch

Die „Stadt der Krieger“ ist eine deutsche Großstadt in den 90ern. Miko schließt sich 14 Tage in seinem Zimmer ein und kommt als Samurai wieder heraus. Zusammen mit dem Wanderer Marlon und dem Verkehrspolizisten Anton, der von der perfekten Explosion träumt, kämpft er gegen den Rest der Welt. Die Rebellen sind Einzelkämpfer ohne Ziel oder Programm – sie wissen nur, was sie nicht wollen. Katka Schroth (31) und Christoph Roos (27) haben das Stück des Berliner Autors Tim Staffel Ende der letzten Spielzeit auf der Probebühne der Schaubühne in der Cuvrystraße inszeniert. Ab heute ist es wieder zu sehen.

taz: Die Rebellen in „Stadt der Krieger“ eifern Marlon Brando und der RAF nach, sie tragen Kriegsbemalung und legen Treueschwüre ab. Warum sind sie so altmodisch?

Christoph Roos: Rebellion ist keine zeitgemäße Erscheinung. Die Krieger benutzen Versatzstücke vergangener Rebellionen, weil sie nichts Neues haben. Es ist wohl typisch für unsere Generation, daß wir die Frage nicht beantworten können, was wirklich besser ist als unsere Gesellschaft. Nicht nur, weil das sozialistische Gegenbild weggefallen ist, sondern auch, weil die Welt immer komplexer wird. Das hält uns davon ab, aktiv zu werden. In „Stadt der Krieger“ werden drei Figuren gezeigt, die das Bestehende trotzdem angreifen. Sicher sind ihre Versuche, Helden zu sein, ziemlich fragwürdig. Aber sie machen was, wenigstens für ein paar Tage!

Ist dieses desillusionierte Lebensgefühl für alle Endzwanziger typisch, oder ist das ein reines Westphänomen?

Roos: Ich stamme jedenfalls aus dem tiefsten Westen, aus Krefeld. Für uns war die DDR schon in der Schule keine Alternative mehr.

Katka Schroth: Es gibt aber ein gemeinsames Lebensgefühl. Ich gehöre zu der Generation in der DDR, die nie an diesen Staat geglaubt hat. Uns verbindet das Mißtrauen gegen utopisches Denken.

„Stadt der Krieger“ ist ein Mosaik aus extrem kurzen Szenen.

Schroth: Diese schnellen Szenenwechsel sind typisch für unsere Zeit. Heute ist man in Paris und morgen woanders.

Roos: Und das beeinflußt unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit. Bei Tschechow sind die Leute jeden Tag zusammen und kennen sich von A bis Z. Wir heute sehen unsere Freunde nur alle paar Wochen und bauen uns unser Bild von ihnen aus diesen Ausschnitten zusammen. Im Theater sollte man nach Erzählstrukturen suchen, um mit dieser Realitätswahrnehmung Schritt zu halten.

Momentaufnahmen von Figuren ohne Vergangenheit und ohne Zukunft passen überhaupt nicht zum Stil der Schaubühne. Hatten Sie damit Probleme?

Schroth: Ja, weil die Schauspieler an eine ganz andere Arbeitsweise gewöhnt sind. Wir mußten das Davor und Danach der Figuren ausklammern, die Situationen des Stücks sind viel wichtiger als die Charaktere. Das ist übrigens auch sehr realistisch, weil Situationen das Leben oft mehr bestimmen als der eigene Charakter.

Roos: Die Schauspieler der Schaubühne sind natürlich auch auf eine bestimmte Atmosphäre bei den Proben gepolt. Wir haben's anders probiert, entspannter und weniger autoritär, als ich es an diesem Haus sonst erlebt habe. Wir wollten Spaß haben bei der Arbeit. Es war für die Schauspieler allerdings wahnsinnig anstrengend, mit zwei Regisseuren zu arbeiten. Wir konnten nichts sofort entscheiden, sondern mußten uns immer erst mal besprechen. Aber trotzdem haben sie nicht versucht, uns gegeneinander auszuspielen.

Wie kam es denn zu der Zusammenarbeit?

Schroth: Eine andere Schaubühnen-Produktion mußte aus Krankheitsgründen abgesagt werden, und da hatten wir plötzlich die Möglichkeit, innerhalb von zehn Wochen diese Inszenierung zu machen. Das Stück hat die Dramaturgin vorgeschlagen. Zusammenarbeit war unsere einzige Chance. Wir hätten uns natürlich auch gegenseitig die Köpfe einschlagen können, aber warum?

Roos: Es gab natürlich Momente, wo man gemeint hat, wenn man alles allein machen könnte, würde es besser. Und andere Momente, da dachte man ...

Schroth: ... ein Glück, daß ich nicht allein bin!

Roos: Daß wir diese Inszenierung machen konnten, ist übrigens nur der Tatsache zu verdanken, daß wir lange Debatten mit allen Schauspielern hatten und das Ensemble ohne Anweisung von oben beschlossen hat, daß das Projekt stattfinden soll. Das ist witzig, weil die Schaubühne ja mal das Modell der Mitbestimmung hatte. Auch wenn sie heute in dem Ruf steht, ein sehr undemokratisch geführtes Haus zu sein.

Nach der letzten Aufführung von „Stadt der Krieger“ verlassen Sie die Schaubühne. Warum?

Schroth: Wir waren dort zwei Jahre Regieassistenten. Und man braucht ja gar nicht so tun, als hätten wir eine Chance, als Regisseure an der Schaubühne zu arbeiten – das gibt's nicht. Ich möchte an ein Theater, wo nicht so viele alte Konflikte die Arbeit stören, ich suche einen angstfreien Raum zum Arbeiten. An der Schaubühne gibt es nicht nur viel Druck innerhalb des Hauses, sondern wegen der großen öffentlichen Aufmerksamkeit auch von außen.

Haben Sie schon neue Projekte?

Roos: Ich würde zur Abwechslung gern einen Klassiker inszenieren. Ein aktuelles Stück zu machen kann sehr frustrierend sein, weil die Presse sich mehr mit dem Stück auseinandersetzt als mit der Arbeit des Regisseurs.

Schroth: Ich werde mich erst mal erholen. Die Schaubühne war für mich wie eine Reise in die Geschichte. Dieses Theater hat mich schon immer fasziniert, weil es so fremd und fern war. Hinter der Gestaltung von Figuren an der Schaubühne steht das ganze bürgerlich- humanistische Denken.

Roos: Ja, die Schaubühne ist der Inbegriff des Westens, das Aushängeschild der Wohlstandsgesellschaft.

Wenn Sie jetzt gehen, können Sie nicht die jungen Wilden der Schaubühne werden.

Schroth: (lacht) Wir sind die jungen Angepaßten!

Roos: Jedenfalls sind wir keine Rebellen.

In „Stadt der Krieger“ scheitern die Rebellen ja auch.

Schroth: Ich finde gar nicht, daß sie scheitern. Sie werden zwar besiegt, aber immerhin haben sie ihren Spaß gehabt. Das Stück stellt viele Fragen, wofür man lebt, wogegen man kämpfen soll, und es gibt keine Antwort darauf. Aber die einzige Möglichkeit, bei Verstand zu bleiben, ist, daß man sich diese Fragen immer wieder stellt. Interview: Miriam Hoffmeyer

„Stadt der Krieger“, heute und morgen, 20 Uhr, Probebühne der Schaubühne, Cuvrystraße 7