Leipziger Strom wird vor Landgericht verhandelt

■ Erste Niederlage für die RWE im Rechtsstreit um eine halbe Milliarde Mark

Berlin (taz) – Ein Streitwert von 533 Millionen Mark wird verhandelt, doch die Bank der Beklagten blieb leer. Gestern morgen fehlten die Anwälte der Essener RWE Energie AG und deren Tochter Wesag, dem regionalen Energieversorger in Westsachsen, vor dem Leipziger Landgericht. Dafür war die Stadt Leipzig als Klägerin erschienen. Die Entscheidung der Richterin lautete: Die Übertragung der Stadtwerke Leipzig von der Wesag an die Kommune wird vor der Handelskammer des Landgerichts verhandelt.

RWE wollte ein Schiedsgericht anrufen. Nun will RWE nach der schriftlichen Begründung des Urteils entscheiden, ob es Berufung einlegt oder ob es endlich zur eigentlichen Sache gehen kann.

Hintergrund ist der Einigungsvertrag und die dort festgelegte Teilenteignung der Städte: Die lukrative Stromerzeugung auf dem Gebiet der DDR fiel damit in die Hände der westlichen Energiekonzerne. Dagegen klagten verschiedene Städte, das Bundesverfassungsgericht erwirkte dann 1993 einen Kompromiß, den „Stromvergleich“: Die Städte erhalten die Stadtwerke zurück. Im Ausgleich haben sie keine Ansprüche auf die Überlandgesellschaften in den einzelnen Regionen. Der Vergleich gilt rückwirkend zum 30. Dezember 1990.

Mit dem Kompromiß begann jedoch das Feilschen zwischen den Kommunen und den sie umgebenden Energieversorgern. Die Höhe der Gewinne in den Jahren 1991 und 1992, als die Stadtwerke von den Westunternehmen betrieben wurden; der Restwert der Anlagen und Leitungen auf Stadtgebiet – oft lagen die Schätzungen der Stromkonzerne weit unter denen der Städte. Auch Leipzig verhandelte dreieinhalb Jahre mit der RWE-Tochter Wesag. Um den Deal zu erleichtern, hatte die Stadt der Wesag sogar 40 Prozent der Stadtwerke übertragen. Über den größten Teil des Kuchens war man sich einig. Doch beim Rest ging es einfach nicht voran.

Die Stadt warf der RWE schließlich Verzögerungstaktik vor und kündigte die Beteiligung der Wesag wieder. Daraufhin erklärte der Konzern alle bisher erzielten Vereinbarungen für ungültig. Nun wird über die Maximalforderung der Leipziger von 533 Millionen Mark vor Gericht gestritten.

„Wir haben ein Faustpfand, das andere Städte nicht haben“, so Marion Dannebohm, Sprecherin der Stadtwerke. Seit dem Einigungsvertrag ist zwar die Wesag Eigentümerin der E-Werke. Betreiberin ist jedoch Leipzig, weil die Stadt einen Pachtvertrag mit der Wesag geschlossen hat. „Wenn wir nicht die laufenden Einnahmen von den Stromkunden hätten, wäre die Klage bei diesem Streitwert zu teuer“, so Dannebohm.

Wie es ausgeht, wenn Kommunen nicht klagen, zeigt der Fall Dresden: Die Sachsenhauptstadt hat in etwa die gleiche Größe wie Leipzig, hat sich die Stadtwerke vom zuständigen Regionalversorger auf einen Gesamtwert von 70 Millionen Mark schätzen lassen und dann 49 Prozent der Anteile billig an diesen abgegeben. Reiner Metzger