Jahrmarkt der Ausnahmezustände

„Playing football?“ schnauzt einer und dreht in patzigen Pirouetten ab. Eine Blonde mit traurig zerlaufenem Make-up versucht, ihren hysterischen Gebärden etwas Anmutiges abzugewinnen. Ein ungelenker Liebestanz endet mit angeschlagenen Nasen. Ein Transvestit wird vermöbelt, berappelt sich und legt fortan in jeden Hüftschwung trotzigen Stolz. Gaukelei, Hiphop, Tragödien und Dramoletten, Romanzen zwischen Baugerüst und Haltestelle. Alain Platel, Choreograph von Les Ballets C. de la B. holt in „La Tristeza Complice“ einen wunderbaren Jahrmarkt der Ausnahmezustände auf die Kampnagel-Bühne. Selbst wenn es ruhig wird, die Tänzer sich zu bereits Gestürzten oder Liegengebliebenen auf den Boden hocken, wenn nur irgendwo noch ein Plastikbecher knackt und die Straßenkids sich leise auf schäbigen Schalensitzen lümmeln, macht das ungerichtete Schauen Spaß. Wie in jenen schwebenden Minuten beim Warten auf den Zug, da man die Zeitung zur Seite legt, den Blick einfach baumeln läßt, bis sich wieder etwas bewegt.

big/Foto: Markus Scholz