„Schäme mich, in der SPD zu sein“

Lübecks Bürgermeister kritisiert Asylpolitik des Kieler Innenministers / Kein Bleiberecht für Opfer des Lübecker Brandanschlages  ■ Von Marco Carini

Michael Bouteiller wurde deutlich. „Ich erwarte von Ihnen ein Zeichen – sonst schäme ich mich, in dieser Partei zu sein“, fuhr der sichtlich erregte Lübecker SPD-Bürgermeister seinen Parteigenossen, den Kieler Innenminister Eckehard Wienholtz an. Zwei Stunden lang hatte Bouteiller zuvor mit unbewegter Miene verfolgt, wie der Minister sich geweigert hatte, den Überlebenden des Lübecker Brandanschlages ein Bleiberecht zuzusichern. Auch auf die bürgermeisterliche Frontalattacke reagierte er kühl: „Ich werde heute nicht sagen, daß ich alles tun werde, damit diese Menschen bleiben können.“ Bouteiller muß sich weiter schämen.

Auf Einladung des 1994 ins Leben gerufenen Lübecker Runden Tisches „Brandanschlag auf unsere Synagoge“ war Wienholtz am Donnerstag abend im Rathaus der Marzipanstadt erschienen, um vor rund 350 ZuhörerInnen über die schleswig-holsteinische Flüchtlingspolitik zu diskutieren. Christoph Kleine vom „Lübecker Bündnis gegen Rassismus“ forderte den Minister in einem Eingangsstatement auf, die „Opfer des Brandanschlages“, deren Duldung am 8. November '96 ausläuft, „nicht weiter zu vertrösten“.

Eine Zusage, daß die Flüchtlinge, von denen viele Familienmitglieder oder ihre Gesundheit verloren haben, ein dauerhaftes Bleiberecht erhalten würden, sei von Wienholtz gefragt. Der zeigte sich zwar „menschlich tief betroffen“, konstatierte dann aber staatsmännisch: „Ein Minister entscheidet nicht auf einer Podiumsdiskussion über Einzelfälle“.

„Nach Recht und Gesetz“, so Wienholtz, müßte auch über das Bleiberecht für die Brandopfer entschieden werden, nur „sorgfältige Prüfungen“ könnten zeigen „ob man da helfen kann“. Darüber hinaus könne er zur Zukunft der Brandopfer „keine Stellung nehmen“. Ansonsten konnte der Minister „keine Versäumnisse in der Ausländerpolitik Schleswig-Hol-steins erkennen“. Die im rot-grünen Koalitionsvertrag beschlossene Einrichtung einer „Härtefallkommission“, die am 1. Oktober ihre Arbeit aufnehmen soll, würde dazu beitragen, „die Ermessensspielräume des Ausländerrechts bis in die letzte Ecke auszuloten“.

Ruben Herzberg von der Jüdischen Gemeinde in Hamburg forderte bei der Veranstaltung über bessere Härtefallregelungen hinaus „eine politische Perspektive“, die nur in der Änderung des Asylrechtes und der „Schaffung eines Einwanderungsgesetzes“ bestehen könne. „Enttäuscht“ über „die Äußerungen des Ministers“ zeigte sich Christoph Kleine. Er forderte alle LübeckerInnen zu „zivilem Ungehorsam“ auf. Ohne einen „massiven Polizeieinsatz“ werde die Abschiebung auch nur eines Brandopfers nicht möglich sein.

In der letzten Reihe des Rathaussaals hörte ein Bürgermeister diesen Worten aufmerksam zu – und spendete anschließend Applaus.