Debatte
: „Gestörtes Verhältnis“

■ ÖTV-Richter zur Durchsuchungsaktion

Hier kann und soll nicht beurteilt werden, ob überhaupt die Tatbestandsvoraussetzungen des „Geheimnisverrats“ vorliegen. Jedoch: die Wahl der angemessenen Ermittlungsmethoden liegt allein im Ermessen des zuständigen Staatsanwalts. An diesem Punkt hatte die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Mittel anzusetzen, eine Aufgabe, die gerade im Spannungsfeld von grundrechtlich geschützter Pressefreiheit und staatlichem Strafverfolgungsinteresse mit Augenmaß vorzunehmen ist. Diese verfassungsrechtlich gebotene Abwägung muß die Umstände des Einzelfalles beachten wie u.a. die Schwere des Tatvorwurfs, die Eingriffsintensität und Erfolgsaussichten der strafprozessualen Maßnahmen, die Möglichkeiten alternativer Aufklärungmittel usw. Eine Prüfung, die auch zu beachten hat, daß das Zeugnisverweigerungsrecht der betroffenen Redakteure nicht umgangen wird.

Ausgehend von diesen rechtlichen Maßstäben verwundert es nicht, daß die umfangreichen Durchsuchungsmaßnahmen selbst in den Privatwohnungen von Redakteuren nicht nur von den Betroffenen als überzogen und unverhältnismäßig bezeichnet werden. Die rechtliche Überprüfung der Maßnahmen bleibt den zuständigen Gerichten überlassen. Schon jetzt steht jedoch fest: Die Pressefreiheit und das Ansehen der Bremer Justiz haben Schaden genommen. Der Fall muß deshalb Anlaß zu rechts- und justizpolitischen Überlegungen sein, die den Schaden begrenzen und Wiederholungen verhindern:

1. Das Zeugnisverweigerungsrecht für Mitarbeiter von Presse, Funk und Fernsehen muß gestärkt und durch ein erweitertes Beschlagnahmeverbot abgesichert werden. Entsprechende Gesetzgebungsvorschläge von SPD und Grünen liegen seit langem vor.

2. Es ist zu diskutieren, wie der Status der Staatsanwaltschaft verändert werden kann in Richtung einer institutionellen Unabhängigkeit mit dem Ziel, die Staatsanwaltschaft insbesondere vom externen Weisungsrecht des Justizsenators freizustellen. So kann auch nur der Schein einer politischen Einflußnahme auf strafrechtliche Ermittlungsentscheidungen vermieden werden, der hier wegen der Nähe des Verfahrensgegenstandes zu maßgeblichen politischen Entscheidungsträgern wieder einmal enstanden ist. Allein der Hinweis auf die faktische Unabhängigkeit der Staatsanwälte und die von einem Richter erlassenen Durchsuchungsbefehle greift insoweit zu kurz und ist nicht geeignet, die Kritik zu entkräften.

3. Die Arbeit der Bremer Justizpressestelle muß neu organisiert und verbessert werden. Das Verhältnis von Justiz und Presse ist in Bremen vernachlässigt worden. Beide Seiten sind aufeinander angewiesen. Die Medienberichterstattung gewährleistet nicht nur die öffentliche Kontrolle der Justiz, sondern erfüllt auch wichtige Informationsfunktionen für die Bürgerinnen und Bürger. Deshalb kommt gerade in der veränderten Medienlandschaft den Justizpressestellen große Bedeutung zu. Abgesehen von dem „Kuriosum“, daß die Justizpressestelle bei der Generalstaatsanwaltschaft auch für die Straf- und Zivilgerichte spricht, fehlte es in der Vergangenheit an einer aktiven Presse- und Informationarbeit. Eine wichtige justizpolitische Aufgabe, zu der die Justiz als öffentlicher Dienstleistungsbetrieb im Interesse der Rechtsuchenden verpflichtet ist. Dr. Bernd Asbrock

Der Autor ist Richter am Landgericht Bremen und Bundessprecher der RichterInnen und StaatsanwältInnen in der Gewerkschaft ÖTV