■ Ökolumne
: Ökologie, versifft Von K.-P. Klingelschmitt

„Türkisfarbene Banditen“ heißen die Fahrkartenautomaten des Rhein-Main-Verkehrsverbundes (RMV) inzwischen im Volksmund. Sie stehen auf schmuddeligen Provinzbahnhöfen und modernen S-Bahnstationen herum und geben Rätsel auf wie altägyptische Sphinxe. Aus einer Tabelle muß das Fahrziel ausgewählt und eine Schlüsselnummer angewählt werden. Der Delinquent, der danach vom Automaten zur Zahlung von knapp zehn Mark für eine etwa 20 Kilometer lange Strecke verurteilt wird, wenn er sich wahrheitsgemäß als Erwachsener geoutet hat, darf sich dann fast die Finger brechen, um den Fahrschein aus der Entnahmeklappe zu fischen. Den Rhein-Main-Flughafen als Zielort suchen die Reisenden vergeblich auf dem Register der Automaten. In- und ausländische Fahrgäste müssen eben wissen, daß der Airport zur „Zielzone 1“ gehört.

Mehr als ein Jahr nach den euphorischen Eröffnungsreden der Apologeten des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) aus den Reihen der Bündnisgrünen und der SPD in Hessen ist der „größte ÖPNV-Verbund Europas“ (RMV) ein einziges großes Ärgernis: permanent überfüllte S-Bahnen zu den Stoßzeiten auf den Hauptstrecken entlang der Mainlinie, provokante Kurzzüge auf der Flughafenstrecke an den Wochenenden, in denen sich dann Fern- und Nahreisende mit mehr oder weniger viel Gepäck um die Plätze balgen.

Da holt Vati dann vielleicht doch lieber den Opel aus der Garage. Der Umwelttrip auf den Stehplätzen von Hochheim nach Frankfurt und zurück zum Beispiel kostet eine vierköpfige Familie rund 60 Mark. Bleifreier Sprit für die 40 Kilometer kostet höchstens drei Mark. Vielleicht wird noch ein Heiermann für die Parkuhr fällig, mehr nicht.

Umsteigen auf Busse und Bahnen? Wer sich das trotz allem leistet, wird schwer dafür bestraft. Völlig versiffte Waggons der sogenannten Regionalbahnen fahren etwa auf der Strecke Mainz–Darmstadt. In dem zwischen Wiesbaden und Hanau verkehrenden Stadtexpreß sieht es nicht viel besser aus: Berufspendler auf schmuddeligen Notsitzen in den Durchgängen zwischen den Waggons. Und Reisende mit dem Fahrziel Flughafen in den Gängen, die es kaum wagen, ihre hübschen Lederkoffer auf dem klebrigen Boden abzustellen. Einziger Vorteil für Schwarzfahrer: Da kommt kein Kontrolleur mehr durch.

Der RMV arbeitet offenbar hart an seiner Corporate Identity. Denn genauso verdreckt sind die meisten Bahnhöfe in der Region. Ein einziger armer Putzteufel soll für den RMV und die Deutsche Bahn AG am Untermain gleich drei alte Bahnhöfe sauberhalten: für 520 Mark im Monat. Ist der RMV noch zu retten? Volker Sparmann, der Geschäftsführer, war bislang ausschließlich damit beschäftigt, alle Vorwürfe „arrogant abzubügeln“, wie sich ein (sozialdemokratischer) Bürgermeister aus der Region ausdrückt. Doch in Wiesbaden lassen es die Regierungsparteien SPD und Bündnisgrüne widerspruchslos zu, daß der RMV seine eigene ökologische Zielsetzung torpediert. Das ÖPNV- Angebot sollte vor allem die Pendler aus den Autos heraus und in die Busse und Bahnen locken. Immerhin arbeiten in Frankfurt inzwischen mehr Menschen, als in der Stadt wohnen: knapp eine Million.

Luxus fordern sie keinen, nur ein Mindestmaß an Reisekomfort, Preise, die mit der individuellen Nutzung des Pkw vergleichbar sind, und aufeinander abgestimmte Taktzeiten der einzelnen Verkehrsmittel. Nicht alles, was sich ökologisch sinnvoll anhört, ist auch ökologisch attraktiv. Konzepte müssen akzeptabel in die Praxis umgesetzt werden. Wenn das nicht geschieht, bleiben vom gepriesenen RMV nicht mehr übrig als der sündhaft teure Anbau für die Verwaltung, die Erinnerung an das am meisten verhaßte ÖPNV-System Europas, ein Schuldenberg – und Legionen entnervter Pendler und Pendlerinnen, die auf die Autobahnen zurückgekehrt sind.