Der leise Ost-Neid auf die lauten Sorgen der West-Teens

■ Die „Bravo“ hatte in der DDR Einreiseverbot. Doch zum Glück gab es sozialistische Bruderhilfe

Es war die Subversivität pur. Ein Typ aus Saarbrücken schrieb auf der Bravo-Leserbriefseite seine Rangliste der lautesten Konzert-Bands: Deep Purple, Aerosmith, Nazareth, Black Sabbath, Uriah Heep. Zum Kotzen. Da war man als junger DDRler auf einem Warschauer Flohmarkt endlich mal – und für teures Geld – an eine alte Bravo rangekommen und kriegte zu lesen, wie sich West- Teenies über die Lautstärke von Deep Purple aufregten. Andererseits war man natürlich glücklich über jede noch so winzige, offenbar hautnah recherchierte Neuheit aus dem Dunstkreis der für Ostler unerreichbaren Rockstars.

In der kleinen Deutschrepublik galt die Bravo von Staats wegen als Schundliteratur, die BRD-Jugendlichen von den wichtigen gesellschaftlichen Problemen ablenkte. Ihre Einfuhr in die DDR war verboten. Übereifrige Lehrer ließen es sich in den sechziger Jahren nicht nehmen, in Schulranzen nach den Heften vom Klassenfeind zu fahnden.

Doch daß die professionelle Aufmachung des offiziell geschmähten Blattes auch im Osten insgeheim anerkannt wurde, sah man am DDR-Pendant: Die FDJ- Jugendzeitschrift neues leben ähnelte sich teilweise in Aufmachung und Themenwahl – mit anderen Vorzeichen: Wenn in der Bravo Bundeswehrwerbung per Anzeige lief, wurden in neues leben die Abenteuer eines NVA-Feldwebels im redaktionellen Artikel beschrieben. Anstelle des Dr. Sommer klärte Professor Borrmann auf. Ansonsten gab's packende Leserdiskussionen („Wie verhält man sich, wenn einem der Westbesuch Kassettenrecorder zur Jugendweihe schenkt und sonst ziemlich arrogant über die DDR daherredet?“), Texte über die Freie Deutsche Jugend als Umweltschützer, Schneidertips, Wahl der beliebtesten DDR-Musiker. Manchmal wurden aber sogar Poster mit Westgruppen von der Bravo übernommen.

Die hatten die Leser aber oft schon von westgereisten Omas mitgebracht bekommen und abgelichtet. Die Anregung dazu bekamen viele in Polen, wo grauenhaft schlechte Schwarzweißfotos von Stargeschichten („Debbie Harry – ist sie die Tochter der Monroe?“) für umgerechnet eine Ostmark auf Flohmärkten verhökert wurden.

Echte Bravo-Poster galten als absoluter Goldstaub und wurden mit bis zu fünfzig Mark bezahlt, egal ob sie schon hundertmal geknickt waren. Nur Starschnitte waren wegen der Nachschubprobleme kaum zusammenzukriegen. Statt der Village People mußten dann eben doch wieder Ost-Gruppen wie „Brot und Salz“ den Pop in die DDR-Kinderzimmer bringen. Gunnar Leue