■ "Bravo" ist mehr als Pickel, Po und Party. In den verstaubten 50ern bot sie eine antimilitaristische und antinationale Antwort auf obrigkeitstreue Werte: Erlaubt ist, was Spaß macht. Ein Geburtstagsgruß.
: 40 Jahre Zentralorgan der Kids

„Bravo“ ist mehr als Pickel, Po und Party. In den verstaubten 50ern bot sie eine antimilitaristische und antinationale Antwort auf obrigkeitstreue Werte: Erlaubt ist, was Spaß macht. Ein Geburtstagsgruß.

40 Jahre Zentralorgan der Kids

Der Deutschen Gier nach Glamour und Gloria sollte gesättigt werden. Anfang 1956 entschied sich der Kindler- und Schiermeyer- Verlag in München, ein neues Blatt auf den Markt zu bringen. Peter Boenisch, der spätere Pressesprecher Bundeskanzler Kohls, wurde zum Chefredakteur berufen. Monatelange Marktforschungen gab es nicht – sicher schien, daß die Leser alles über ihre deutschen und vor allem US-amerikanischen Filmhelden wissen wollten. Am 26. August erschien die erste Ausgabe der „Zeitschrift für Film und Fernsehen“, auf dem Titel waren unter anderen Marilyn Monroe und Richard Widmark zu sehen. Der Name gehört inzwischen ebenso zu den Legenden des deutschen Mediengewerbes wie zu jenen bei fast allen Jugendlichen, die in der Bundesrepublik aufgewachsen sind: Bravo, eine „Zeitschrift mit dem jungen Herzen“. Woche für Woche erreicht sie seitdem die Hälfte aller 12- bis 16jährigen.

Bravo versteht sich als Blatt mit einer Mischung aus „Lebensfreude, Spaß und Musik, Information und Beratung“ (so der jetzige Chefredakteur Gerald Büchelmaier). Wirklich legendär wurden die 1962 eingeführten Aufklärungskolumnen, einst unter dem Signum Dr. Vollmer, später unter Dr. Jochen Sommer, heute unter „Dr.-Sommer-Team.“ Bravo war das erste Blatt, das Sexualität ohne den Ruch des Schamvollen beschrieb: Die Ratschläge (und die dazugehörigen Fragen) nahmen sich so offenherzig aus, wie es sich selbst Zeitschriften wie Praline oder Wochenend vor zwanzig Jahren nicht getraut hätten: „Was mache ich mit meinem Penis bei Sonnenbrand?“ fragt einer; eine weiß nicht, was sie mit dem Wunsch ihres Freundes anfangen soll, sie einmal „von hinten“ zu vögeln. Ohne belehrenden Unterton wird geantwortet – was nicht unerheblich zur „street credibility“ des Mediums beigetragen hat.

Stets segelte Bravo am Rande dessen, was die deutsche Jugend zu verdauen und wünschen bereit ist. Vorwürfe, daß die Zeitschrift Jugendliche überhaupt erst auf Ideen bringt, die sie ohne das Magazin gar nicht hätten, weisen die Macher in München zurück: „Wir würden nie eine Zeitschrift machen, die sich nicht verkauft. Vielmehr ist es so, daß wir regelmäßig ausforschen, was unsere Leser wollen.“ Ein basisdemokratisches Medium mithin – anders ist wohl kaum zu erklären, daß Bravo sich über vierzig Jahre halten konnte.

Meist nur Sekundenbruchteile später hat sich die Illustrierte an das gehängt, was gerade unter Jugendlichen „in“ ist: Schon ein Vierteljahr nach der ersten Ausgabe erkannte Boenisch in Peter Kraus die deutsche Version eines Elvis Presley – und präsentierte ihn als ersten Popstar der Republik. Mit ihm Conny Froboess, eine Art Nena-Nina-Hagen-Nicole der fünfziger Jahre: ganz schön kess für deutsche Verhältnisse (das Deutsche Reich war kaum eine halbe Generation Geschichte), ein Teenager, wie es damals hieß. Bravo erfand dieses Wort für den deutschen Sprachgebrauch und befreite es zugleich vom Hautgout des Aufsässigen: Jungsein ist schön, hieß die Devise und traf damit den Nerv einer Generation, die sich von den Alten nur noch bedingt etwas sagen lassen wollte.

Die erste Tournee der Beatles hat das Blatt ebenso organisiert wie den Kult um Roy Black, die Kelly-Family, David Hasselhoff, die Rolling Stones, Suzi Quatro, Uschi Glas oder T. Rex. Ohne Bravo wären die meisten der in den letzten vier Jahrzehnten populären Popstars nur underground- oder bierzeltreif geblieben.

Lange vor der Einführung des Sexualkundeunterrichts hat sich Bravo den echten Sorgen der Jugendlichen angenommen, spätestens seit Ende 1962: Pickel und Akne, strenge Mütter, die keine Jeans an den Beinen ihrer Töchter erlauben wollten, herrische Väter, die mehr als zwei Zentimeter Haarlänge bei ihren Söhnen für die Kapitulation des Abendlandes im eigenen Haus verstanden, Petting, Kondome, Aids und Küsse.

Ohne Bravo hätte sich in Westdeutschland der längst weithin geschätzte westliche Lebensstil nicht durchsetzen können: Von der ersten Ausgabe an wurden militärische Mentalitäten mißbilligt – hoch im Kurs standen Coolness und Laxheit von „Halbstarken“ wie Marlon Brando. Kritiker bemängeln, daß die Zeitschrift immer nur den Konsum befördert habe – als ob nicht gerade die Taschengelder der angehenden Erwachsenen dazu beigetragen haben, hehre Ziele wie Volk und Vaterland als kaum attraktiv zu denunzieren.

Dieses populärste Jugendblatt, schreibt der Kulturforscher Kaspar Maase in seiner Studie „BRAVO Amerika“, gab „gängigen Stereotypen vom amerikanischen und deutschen Nationalcharakter eine spezifische Wendung. Drüben war man souverän, lässig, zivil – hierzulande zackig, militaristisch, ordnugnsfixiert“. Und Bravo favorisierte das nichtdeutsche Modell – was Spaß macht, ist legitim, wenn es anderen nicht schadet. Insofern haben die Blattmacher seit 40 Jahren dazu beigetragen, daß Militärisches und Völkisches an sich und immer noch unter Generalverdacht stehen.

Heute abend findet in der Münchner Olympiahalle eine Jubiläumsparty statt. Eingeladen sind alle, die mit Hilfe von Bravo zu Ruhm kamen. Die Veranstaltung ist ausverkauft. Jan Feddersen