Wahl-Boykott gefordert

■ Bosniens Ex-Premier spricht bei Wahlveranstaltung in Wilhelmsburg

„Für Bosnien und Herzegowina“ nennt sich die Partei des ehemaligen bosnischen Premiers Haris Silajdzic. Sie kämpft für ein multi-ethnisches Zusammenleben in Bosnien, jedoch gegen eine Teilnahme an den dortigen Wahlen am 14. September. Silajdzic rief gestern die rund 500 Gäste einer Wahlveranstaltung in Hamburg Wilhelmsburg zum Boykott auf: Durch die Wahlen würde sonst der Völkermord nachträglich legimiert.

Die nationalistischen Parteien versuchten zur Zeit, durch Manipulationen und Druck auf innerstaatliche Flüchtlinge, „ethnisch gesäuberte“ Gebiete als solche auch nach den Wahlen zu erhalten. Erst am Vortag hatte der bosnische Präsident Alija Izetbegovic bei einer Wahlkampfveranstaltung in Westfalen die Kriegsflüchtlinge aufgefordert, jetzt zurückzukehren.

„Wir unterscheiden uns in allem von Izetbegovic“, sagte Josip Pejakovic, der 1990 als Kandidat der Sozialdemokraten gegen den jetzigen Präsidenten angetreten war. „Der kämpft für seine Macht. Wir kämpfen für Bosnien-Herzegowina“, erklärte der Schauspieler, der Silajdzic während der „Wahlkampf“-Tour begleitet. Und, wie viele andere Künstler und Intellektuelle auch, den Parteivorsitzenden unterstützt. Die erst vor wenigen Monaten gegründete Partei sei gleichzeitig die älteste Bosnien-Herzegowinas, sagte ein anderer Politiker, weil sie das Zusammenleben der verschiedenen Ethnien in Bosnien so erhalten möchte, wie es schon vor 1000 Jahren gewesen sei.

Auf welche Weise dies nach einem jahrelangen blutigen Gegeneinander gelingen kann, wissen auch die Politiker nicht. Sie setzen dabei vor allem auf Geduld. Um diese bittet der Schauspieler Pejakovic nicht zuletzt die Deutschen, die den Bürgerkriegsflüchtlingen bereits sehr geholfen hätten.

Zum jetzigen Zeitpunkt aber seien nicht nur die Wahlen, sondern auch eine Rückkehr der Flüchtlinge unmöglich. „Der Krieg ist nicht beendet.“ Falls Hamburg an der beabsichtigten „Rückführung“ zum 1. Oktober festhält, müßten jedoch rund 5000 der 12.500 in Hamburg lebenden Flüchtlinge die Hansestadt verlassen. Stefanie Winter