Rotgrüne Warnung vor Rotgrün

Wahlkampfauftakt der Parteitage: SPD-Rechte und GAL-Linke lehnen rotgrünes Gekuschel vor den Bürgerschaftswahlen ab  ■ Von Silke Mertins

„Ich möchte eine persönliche Erklärung abgeben“, trat Bürgermeister Henning Voscherau zum Abschluß des SPD-Parteitages am vergangenen Wochenende in gespielter Bescheidenheit vors Mikro. Angesichts des heftigen Flügelstreits seiner Partei (siehe Bericht unten), müsse er etwas sagen: „Ich bitte um Ehrlichkeit“, denn sonst „wird es viele Scherben nach der Wahl geben.“ Während der Debatte sei „vieles gesagt worden und manches nicht“. SPD-Programm und Spitzenkandidat müßten aber zusammenpassen. Wie das gemeint ist, wüßten sicher alle, denn man kenne sich schließlich gut genug.

Ratlose Gesichter staunten über das Orakel des Bürgermeisters. Aufgeregt bestürmten Medienvertreter die Voscherau-Vertrauten mit der Bitte um Übersetzung der kryptischen Rede. Danach hat Voscherau den Widerstand gegen die Sozialhilfekürzung aus den linken SPD-Kreisen Nord und Eimsbüttel als Versuch verstanden, die Weichen für Rotgrün zu stellen. Doch statt dies durch die Hintertür zu tun, sollten die Linken doch den Mut haben, direkt Anträge zu einer Koalitionsaussage zu stellen, forderte der Bürgermeister. Und drohte anschließend, daß er dann womöglich nicht zu einem solchen Wahlkampf passen würde.

Zur Sache ging es zwischen den SPD-Flügeln tatsächlich, denn so offen beschimpft haben sich die Parteirechten und -linken schon lange nicht mehr. „Eugen, du hast ein gebrochenes Verhältnis zum Rechtsstaat!“ warf Thea Bock beispielsweise Bausenator Eugen Wagner vor. Der hatte zuvor angezweifelt, ob der Altenwerder-Kläger Werner Boelke als öffentlich Bediensteter (er ist Lehrer) überhaupt ein Projekt wie die Hafenerweiterung, „das soviele Arbeitsplätze schafft“, stoppen dürfe. Jeder Bürger „hat das Recht zu klagen und sollte dafür nicht öffentlich beschimpft werden“, grimmte Bock.

Der Ton zwischen den SPD-Flügeln wurde zwar schärfer, doch den in der Bevölkerung populären Bürgermeister direkt anzugreifen, traute sich kein Genosse. Das besorgte indes die nicht weniger populäre GALionsfigur Krista Sager, die auf der gleichzeitig stattfindenden GAL-Mitgliederversammlung mit 137 Ja- und 58 Neinstimmen bei sechs Enthaltungen zur Sprecherin des grünen Landesverbandes gewählt wurde. „Die Menschen haben die Schnauze voll vom Voscherau-Senat, von der Arroganz der Macht und der Überheblichkeit, mit der diese Macht verwaltet wird“, heizte sie ihre Partei zum Wahlkampf ein. „Das ist keine Stadt für eine große Koalition“, so Sager. Aber angesichts einer „Hamburger SPD, die Kohl näher steht als der SPD-Bundestagsfraktion“ wolle man „Rotgrün nicht um jeden Preis“.

Genau das werfen die GAL-Linken der Realo-Politikerin aber vor. Sie habe nicht nur im Frühjahr die leidige Debatte um Schwarz-Grün angezettelt, sondern stehe auch für den Willen zur Macht – und zwar mit der SPD. Grüne Inhalte – die die GAL für den kommenden Wahlkampf noch gar nicht festgelegt hat – kämen bei Sager zu kurz.

Für einen rotgrünen Wahlkampf sei sie nicht zu haben, klärte die ebenfalls zur Partei-Sprecherin gewählte Fundi-Frau aus Nord, Antje Radcke, die Fronten. Sie erhielt 112 Ja- und 52 Neinstimmen bei 24 Enthaltungen. Angesichts der Stimmungsmache der SPD gegen sozial Schwache hält Radcke „eine Koalition mit der SPD für genauso abwegig wie eine mit der PDS“. Überhaupt müsse man sich mit der PDS stärker auseinandersetzen. Das „Ringen um Stimmen in der bürgerlichen Mitte“ lehne sie ab.

„Ich sehe keine Veranlassung, Debatten der 80er Jahre aufzuwärmen“, wurde der GAL-Frakions-Chef und Sager-Intimus Willfried Maier nun sauer. Schließlich hätte die GAL auch bei den letzten Wahlen Essentials festgelegt und die Koalitionsverhandlungen abgebrochen, als man mit der SPD nicht weiterkam. „Und an diesem Vorgehen sollten wir festhalten.“