„Rufen Sie mal in vier Wochen wieder an...“

■ In Bremens Behördenstuben sind Beschwerden ein lästiges Übel – das Beispiel Arnsberg (NRW) zeigt, daß bürgerfreundliche Verwaltungsreform geradezu auf Beschwerden angewiesen ist

Umgezogen? Keine Zeit, sich umzumelden? Kein Wunder. Die Öffnungszeiten der Meldestelle beim Einwohnermeldeamt in Bremen-Mitte sind haargenau auf die Arbeitszeiten Berufstätiger abgestimmt: Montags ist das Einwohnermeldeamt von acht bis zwölf Uhr geöffnet. Sie wollten die Mittagszeit nutzen, um den längst überfälligen Behördengang zu erledigen? Vergessen Sie's. Bis 15 Uhr gönnt sich die Meldestelle selbst eine Pause. Danach ist das Einwohnermeldeamt bis 18 Uhr geöffnet. Immerhin. Von Dienstag bis Donnerstag stehen die Beamten den Bürgern nämlich nur in der Zeit von acht bis 14 Uhr zur Verfügung – am Freitag von acht bis zwölf Uhr. Und am Samstag ist selbstverständlich alles dicht.

Daß es auch anders geht, zeigt das Beispiel der nordrheinwestfälischen Stadt Arnsberg. Während die bürgernahe Verwaltungsreform für Bremens Politiker auch nach einer jahrelangen Diskussion nicht mehr ist als ein Lippenbekenntnis, gehört sie für die Arnsberger Stadtväter schon längst zum Alltagsgeschäft. Mit Erfolg: Die Stadt ist jetzt für ihre Bürgernähe auf dem 2. Deutschen Verwaltungskongreß mit dem „Verwaltungs-Management-Award '96“ ausgezeichnet worden. Zehn Städte hatten sich um den renomierten Preis des Institute for International Research beworben. Doch Arnsberg, eine Stadt mit 84.000 Einwohnern, schlug selbst das als verwaltungsrefomiert anerkannte Münster aus dem Rennen. Dabei ist das Arnsberger Erfolgsrezept denkbar schlicht: Die Stadtväter ermuntern ihre Bürger, sich zu beschweren. Das Gemeckere wird nicht als Kritik verstanden, sondern „als kostenlose Beratung durch die Bürger“, so Bürgermeister Alex Paust (SPD). Und: Die Beschwerden der Bürger werden direkt umgesetzt. Die Arnsberger können sich deshalb nicht nur auch samstags ummelden, sondern in den sogenannten „Stadtbüros“ auch alle anderen Behördengänge erledigen.

In Bremen hingegen ist das „aktive Beschwerde-Management“, wie die Arnsberger ihr Modell nennen, offenbar ein Fremdwort. Zwar gibt es die „Bürgerberatung“ und die „Ansprechpartner für den Bürger“. Letztere sind allerdings nicht im Telefonbuch zu finden, sondern stehen gut versteckt im Behördenbuch unter dem jeweiligen Senatsressort und die stehen unter „L“ wie Stadtverwaltung. Wer die Logik nicht versteht, steht dumm da.

Selbst die Beamten in den einzelnen Behörden scheinen weder die „Bürgerberatung“ noch die „Ansprechpartner für die Bürger“ zu kennen, was ein Test-Anruf bei der Meldestelle beweist: „Guten Tag, ich möchte mich über die Öffnungszeiten bei der Meldestelle beschweren.“ „Tja, das erzählen Sie am besten mal direkt dem Bürgermeister. Die Nummer ist 361 2204.“ Anruf im Sekretariat von Bürgermeister Henning Scherf (SPD): „Guten Tag, ich möchte mich über die Öffnungszeiten beim Einwohnermeldeamt beschwerden. Die Meldestelle hat mich an den Bürgermeister verwiesen.“ Die Sekretärin lacht. „Da könnte ja jeder anrufen, um den Bürgermeister zu sprechen. Wenn Sie sich beschweren wollen, tun Sie das bitte schriftlich. Mündliche Beschwerden werden grundsätzlich nicht angenommen. Und für die Öffnungszeiten in der Meldestelle ist sowieso der Innensenator zuständig. Rufen Sie den doch an.“

Anruf im Innenressort: „Guten Tag, ich möchte mich über die Öffnungszeiten in der Meldestelle beschweren.“ „Ja, ich bin der persönliche Referent des Innensenators“, stellt sich Dr. Stefan Luft freundlich vor. „Ich werde mich um die Angelegenheit kümmern. Aber die Öffnungszeiten sollen sowieso geändert werden.“ „Wann kann ich mit einer Antwort rechnen?“ „Rufen Sie mal in vier Wochen wieder an. So schnell kann man da nichts ändern.“

An den Öffnungszeiten der Stadtbibliothek (Mo. vorrübergehend geschlossen, Di., Do., Fr, elf bis 18.30 Uhr, Mi. 14 bis 18.30 Uhr, Sa. zehn bis 13 Uhr) hingegen ist nicht zu rütteln. Das nützt auch die Beschwerde nichts. Zwei Tage lang wird die Anruferin vertröstet (die Leiterin hat jetzt leider eine Besprechung), dann kommt die Absage: „Die Leiterin wollte es Ihnen eigentlich selber sagen. Wir können nichts an den Öffnungszeiten ändern – aus Kostengründen.“

Eine Beschwerde im Bau- oder Finanzressort wegen der Zweitwohnungssteuer erreicht den Adressaten erst gar nicht. Das Telefon der Bürger-Ansprechpartner ist tagelang nicht besetzt.

Auch in dieser Hinsicht haben es die Arnsberger nach Angaben von Bürgermeister Paust leichter. Sie können ihre Beschwerden bei einer Beschwerdestelle oder am Beschwerdetelefon der Stadt loswerden. Mündliche Beschwerden – egal, ob telefonisch oder persönlich vorgebracht – sollen innerhalb von 24 Stunden bearbeitet werden. Für schriftliche Beschwerden gilt eine Frist von drei Tagen oder maximal einer Woche. kes

(siehe auch Interview S. 22)