„Fälscherbanden stehen in den Startlöchern“

■ Der italienische Fälschungsexperte Carolus über den Appetit der Unterwelt auf den Euro

Carolus, der keinen Vornamen nennt, saß selbst wegen Fälschungsdelikten drei Jahre im Gefängnis. Heute berät er die Polizei in mehreren europäischen Ländern.

taz: Der Euro soll, glaubt man Politikern, kriminelle Machenschaften eindämmen, von der Devisenspekulation bis zum Übers- Ohr-Hauen beim Umtausch.

Carolus: Erst mal stimmt ja schon nicht, daß der Euro die Devisenspekulation eindämmen wird. Jahrelang wird selbst in den Ländern, in denen er schon 1999 eingeführt wird, neben dem Euro die bisherige Währung weiterbestehen. Und da werden sich Umtauschkurse einpendeln, die von Spekulanten genutzt werden.

Genau das bestreiten unsere Währungshüter aber. Der Euro werde vom ersten Tag an in einem festen Verhältnis zu den mitziehenden Währungen getauscht.

Und die einzelnen Währungen? Nehmen wir an, in Deutschland boomt die Konjunktur, in Frankreich aber kommt es zu einer großen Inflation. Das Kapital kauft dann Deutsche Mark, weil der Franc schwach wird. Das läßt sich nur abfangen, indem die Deutschen die Stabilität der französischen Währung mit garantieren – was aber ständige Stützkäufe bedeuten würde. Das geht auf die Dauer unmöglich. Natürlich wird jeder Franzose, der vernünftig ist, seine wertlosen Francs in Euros tauschen, wenn das Wechselverhältnis gesetzlich stabil bleibt, und damit in Deutschland einkaufen, wo der Euro etwas wert ist.

In manchen Ländern geht man noch davon aus, daß die Währung ohnehin nie zustande kommt...

Kommt sie aber doch zustande, werden ganze Heere unlauterer Geschäftemacher ausschwärmen und Millionen von Menschen hereinlegen. Wir haben ein solches Phänomen vor vier Jahren in der Ex-UdSSR gehabt, als die alten Rubel gegen neue umgetauscht werden sollten. Die Staatsdruckerei hatte noch nicht einmal bekanntgegeben, wie die neuen Rubel aussehen, da waren bereits Milliarden neuer Scheine verkauft: von fixen Banden fabrizierte Banknoten, die mit denen der Staatsbank dann natürlich kaum Ähnlichkeit hatten. Die haben sie sowohl in den Arbeitervierteln wie in ländlichen Gegenden verhökert, mit der Ankündigung, daß die neuen Scheine in drei Tagen doppelt so viele alte kosten würden.

Ist das hier auch möglich?

Fälscherbanden stehen in den Startlöchern, mehr als hundert kennt alleine Italiens Polizei. Sie werden alten Mütterchen und schlichten Gemütern mit Drückerkolonnen auf den Pelz rücken, ihnen Angst um ihr Erspartes machen und ihnen ihre Mark und Lire und Francs entlocken und zu miserablen Kursen umtauschen.

Welche Gegenmittel gibt es?

Wenige, vor allem wegen der Tatsache, daß sich ja mittlerweile der Termin immer schneller nähert und noch nicht einmal ansatzweise feststeht, wer denn von Anfang an dazugehört und wer wann dazukommt und was geschieht, wenn sich die Länder wirtschaftlich auseinanderentwickeln und der Euro das alles auffangen soll. Interview: Werner Raith