Besser als jeder Krieg

Attentatsplan gegen Lebed aufgedeckt. Verhandlungen hinter verschlossenen Türen  ■ Aus Moskau Klaus-Helge Donath

Auf Rußlands Tschetschenienbeauftragten, Alexander Lebed, war ein Attentat geplant. Dies bestätigte sein Pressesprecher gestern. Wann, wo und wer die Liquidierung Lebeds ausgeheckt hatte, gab er nicht preis. Der Exgeneral hatte mehrfach in der Öffentlichkeit eingeräumt, daß es Kräfte gebe, die nach seinem Leben trachteten. Während seiner ersten Erkundungsfahrt im Kaukasus wurde er von Angehörigen des Innenministeriums nicht nur überwacht, sie versuchten auch, ihn an der Weiterfahrt zu hindern.

General Romanow, Vorgänger Lebeds als russischer Unterhändler, hatte im Herbst bei einem Attentat schwere Verletzungen erlitten. Obwohl Ermittlungen laufen, wurden die Verantwortlichen bisher nicht überführt.

Lebed traf sich gestern nach seiner Rückkehr aus Grosny mit Premierminister Viktor Tschernomyrdin in Moskau, um die Ergebnisse seiner Verhandlungen mit den tschetschenischen Rebellen zu besprechen. Einzelheiten der politischen Regelungen des Konfliktes sollten erörtert werden. Bevor er das Abkommen unterzeichne, wolle er sich die Zustimmung des Premiers und des Präsidenten einholen, hatte Lebed angekündigt. Über ein Treffen mit Jelzin wurde bisher nichts bekannt. Darüber hinaus deutete Lebed an, knifflige juristische Details müßten noch vom russischen Außenministerium analysiert werden. In Lebeds Vorschlag ist ein Referendum vorgesehen, in dem die Bevölkerung über ihren weiteren Status selbst entscheidet. Der Termin dafür steht allerdings noch nicht fest. Tschernomyrdin hatte am Sonntag erklärt, „das Volk“ solle entscheiden. Offen blieb dabei aber, ob er die Russen oder die Tschetschenen meinte.

Die Wortwahl Moskaus hat sich verändert. Nicht mehr von Banden und Kriminellen ist die Rede, die Separatisten figurieren jetzt unter „bewaffneter Opposition“. Auf fällt, daß Tschernomyrdin, der noch vor wenigen Tagen der Opposition keine Zugeständnisse machen wollte und für eine gewaltsame Lösung plädierte, nun die Verhandlungserfolge Lebeds würdigte. Er scheint mit seinem Gegenspieler im Kreml einen Kompromiß finden, zumindest aber am Erfolg des Exgenerals teilhaben zu wollen. Trotz aller Störmanöver zeichnet sich eine Lösung ab, die weit vom bisherigen Vernichtungskrieg entfernt ist. Die Marionettenregierung in Grosny unter Sawgajew befindet sich schon in Moskau. Vizepremier Zakajew sprach von einem „offenen Umsturz“ der legitimen Macht in Grosny.

Im Vergleich zu den zwanzig Kriegsmonaten verlief die Nacht zu gestern sehr ruhig, obwohl russische Posten mehrfach beschossen wurden. Das Kriegsgerät, das Rebellen am Sonnabend erbeutet hatten, sollte heute zurückgegeben werden. Die Rebellen gehören nicht der Armee an. In Grosny kontrollierten gestern russisch- tschetschenische Kontingente die Straßen.