Massenabschiebungen nach Vietnam beginnen: 3.000 noch in diesem Jahr

■ Nach ersten Querelen bestätigte Vietnams Regierung inzwischen die „Rückkehrfähigkeit“ von 3.000 Flüchtlingen

Hannover (taz) – Die zwischen Bonn und Hanoi vereinbarten Massenabschiebungen von ehemaligen DDR-Vertragsarbeitern und Flüchtlingen aus Vietnam haben begonnen. „Nach den Anlaufschwierigkeiten bei der Umsetzung des Rückübernahmeabkommens sind wir jetzt bei den Rückführungen nach Vietnam auf gutem Wege“, sagte gestern eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums. In den letzten Wochen hätten die Abschiebungen von Vietnamesen sehr zugenommen.

Nach Angaben von Ministeriumssprecherin Dorothea Kallscheuer sind „einige tausend Rückführungen noch in diesem Jahr im Bereich des Möglichen“. Auf den Listen, mit denen die vietnamesische Regierung die sogenannte Rückkehrfähigkeit von Flüchtlingen bestätige, ständen inzwischen etwa 3.000 Namen. Wahrscheinlich werde der größte Teil dieser Flüchtlinge noch in diesem Jahr abgeschoben. Nach Angaben von Kallscheuer sind in diesem Jahr erst 433 Vietnamesen zwangsweise in ihre Heimat ausgeflogen worden.

Das im Juli letzten Jahres abgeschlossene Rückführungsabkommen sieht bis zum Jahre 2000 insgesamt 40.000 Abschiebungen vor. Für die Jahre 1995 und 1996 waren nach dem Abkommen 7.500 Zwangsrückführungen geplant. Allerdings hatte die Regierung in Hanoi bis vor kurzem nur einzelnen Abschiebungen ihre Zustimmung erteilt.

Von den 433 Einwanderern aus Vietnam, die 1996 abgeschoben wurden, lebten nach Angaben des Innenministeriums in Hannover knapp hundert in Niedersachsen. Bis zum Jahr 2000 sollen aus Niedersachsen fünf- bis sechstausend Einwanderer nach Vietnam abgeschoben werden. Gut die Hälfte dieser Einwanderer habe bereits von den Ausländerbehörden die Mitteilung erhalten, daß sie ausreisepflichtig sei.

Der niedersächsische Flüchtlingsrat kritisierte gestern „völlig unnötige Härten bei den Abschiebungen nach Vietnam“. Die Einwanderer müßten die Bundesrepublik, in der sie Jahrzehnte gelebt hätten, zu einen Großteil innerhalb weniger Tage verlassen. Dabei hätten viele keine Gelegenheit, ihre persönlichen Angelegenheiten in Ordnung zu bringen. „Vielen bleibt am Ende nur noch übrig, ihre Habe zu verschenken.“

Ein Sprecher des Inneministeriums bestätigte, daß zwischen der Ankündigung der Ausreisepflicht und der tatsächlichen Zwangsrückführung Monate oder auch Jahre vergehen könnten. Nicht in allen Fällen würde anschließend der Termin der Abschiebung noch einmal angekündigt. Eine entsprechende Mitteilung sei etwa dann nicht sinnvoll, wenn man befürchten müsse, daß sich die Betroffenen der Abschiebung entziehen wollen. Jürgen Voges