High Noon inmitten von Bühnennatur

■ Das Duo Margarit/Muñoz mit „Sao“ beim Sommertheater

Quietschgelbe Weizenähren in einem Blumenkasten. Halm an Halm, ganz ordentlich, so als habe sie jemand für einen festlichen Sonntag zurechtgekämmt. Dahinter eine Weizenfeldaufsicht als bedrucktes Tuch über eine Metallwand gelegt. Eine silberne Wolke hängt von der Decke. Die Natur steht parat, geputzt und gestriegelt, – fehlt nur noch ein Mensch, der sie auch bestaunt.

Zwei Frauen, stolz aufgerichtet, gehen aufeinander zu. Ein kurzer, kühler Blick. Dann gehen sie aneinander vorbei, vorwärts, rückwärts, ohne sich umzudrehen. High Noon. Maria Muñoz, Choreographin und Tänzerin der katalanischen Truppe Compañia Mal Pelo und Angels Margarit, Schrittmacherin der Compagnie Mudances, in ihrer gemeinsamen Produktion Sao. Für beide reicht das Stück Feld, kaum größer als ein Großstadtbalkon, nicht aus. Maria Muñoz beginnt, mit scharfen, kantigen Bewegungen das bißchen Raum zu zerlegen. Jede Geste ein spitzer Winkel. Kaum eine Drehung, die nicht von einer gegenläufigen Kontraktion wieder aufgeribbelt wird. Und wenn Muñoz im schwarzen Anzug mit abgeknickten Armen, den Kopf zwischen die Schulterblätter genommen, hoch und nieder steigt, muß man unweigerlich an Van Goghs Kolkraben denken. Dann okkupiert Angels Margarit den Platz. In weichen Pirouetten quirlt sie über den Fleck Bühnennatur, windet sich geschmeidig um die eigene Achse, wiegt sich anmutig in alle Richtungen, als wolle sie sich in die Naturattrappe einweben. Dann reißen die Kreisbewegungen auf, Margarit zuckt, verrenkt sich eckig. Eine Parodie auf ihre Vorgängerin.

Immer wieder verlassen die Tänzerinnen ihre eigene Kreise, paradieren provozierend vor der anderen. Manchmal scheinen sie sich zu umgarnen, dann zu streiten. Sie suchen die Nähe der anderen, prallen aber wie Billardkugeln voneinander ab. Jeder versuchte Pas de deux endet in solitären Zirkeln. Eine kraftvoll-kontroverse Begegnung, in der sich der jeweilige Stil als individuelles Manifest zu Tanz, Raum und Naturerleben behauptet. In Duos und Soli experimentieren die Tänzerinnen mit eigenen und fremden Bewegungselementen, suchen nach Verbindungstücken und gemeinsamen Entdeckungen. Eine federleicht getanzte Debatte, entstanden bei einem Treffen der Freundinnen im Hochland Mallorcas. Keine noch so filigrane Geste, die unkommentiert bleibt. Und was die eine liegenläßt, hebt die andere auf. Murmeln oder geldscheingroße Papierblätter zum Beispiel, die plötzlich aus der Silberwolke rieseln. Margarit legt sie sorgfältig zusammen, legt sich in Schmöker-Position, bestaunt den unverhofften Fund wie die Seiten eines rätselhaften Buches. Muñoz wird sich alles hastig in die Taschen stopfen. Angels Margarit durchtanzt eine sparsam angedeutete Wüste. Maria Muñoz wird ihr später richtigen Sand über die Füße streuen. Dann wirbeln sie gemeinsam über den herbeigestreuten Wüstenausschnitt fallen sich in aufgewirbelten Staubwolken endlich in die Arme.

Birgit Glombitza