Eine Träne im Auge

■ Der scheidende Verwaltungsdirektor des Bremer Theaters, Rolf Rempe, über seine Theaterarbeit und seine Zukunft

taz: Der 31.8. ist ihr letzter Arbeitstag im Theater. Was werden Sie danach machen?

Rempe: Ich wechsele zum 1. September zur „Nordwest-Vermögen“, einer Immobilienverwaltungsgesellschaft und Tochter der Landesbank.

Da verdienen Sie sicher mehr?

Nein. Ich habe mich auch nie über meine Bezahlung beim Theater beschwert. Das ist für mich nicht so relevant.

Nun war aber doch der Wechsel zum Theater vor fünf Jahren von kulturellen Motiven geprägt .

Tatsächlich reizte mich der vielleicht etwas naive Glaube, daß, wenn man näher an der Kunst dran ist, in gewisser Weise Einfluß nehmen kann. Daß ich später viel mehr in den Kunstprozeß eingreifen durfte oder mußte, hat mich durchaus irritiert, hat aber auch Spaß gemacht. Sie wissen ja, daß ich über ein Jahr lang Interims-Generalintendant war, als Heyme nicht mehr als Intendant zur Verfügung stand. Dieses Vakuum habe ich, glaube ich, damals ganz gut über die Runden gerettet, und das war spannend.

Blicken sie angesichts der vergangenen Haushaltsdebatte im Zorn zurück?

Insofern nicht, als ich glaube, daß es uns im Hause gelungen ist, dieses Theater aus einem Tal wieder herauszuführen. Daher sind uns viele Sympathien in dem Konflikt mit der öffentlichen Hand entgegengebracht worden, und dadurch konnten die Versuche, dem Theater entgegen dem Vertrag 3,5 Millionen Mark wegzunehmen, weitgehend abgewehrt werden. Das erfüllt mich mit Genugtuung. Den Preis, den ich persönlich in meiner Lebensplanung dafür zahlen mußte, finde ich sehr hoch. Insofern gehe ich mit einer Träne im Auge weg.

War Ihre Kündigung ein voreiliger Schritt?

Ja und nein. Ich würde ihn wohl immer wieder so gehen, aber wenn dann Monate der Klärung und des Formulierens eines Weges hinter einem liegen, dann sagt man: du hättest auch anders handeln können, wenn dasselbe Ergebnis dabei herausgekommen wäre. Ich habe die vielleicht etwas sentimentale Hoffnung, daß mein Schritt ein Signal gesetzt hat, das in der Politik dazu führt, in der Zukunft einen vorsichtigeren Umgang mit dem Theater zu praktizieren.

Wurde Ihre Kündigung in der Behörde zunächst ignoriert?

Ich hatte einen Fünfjahresvertrag, der sich aufgrund einer nicht rechtzeitigen Kündigung im Juli noch einmal automatisch verlängert hat. Die Kulturbehörde stimmte meiner Bitte um die vorzeitige Auflösung zunächst nicht zu. Wohl auch, weil man davon ausgegangen war, daß ich das nicht so ernst meine. Ich habe der Senatorin aber von Anfang an offen gesagt, daß ein Zurück von der Kündigung nicht in Frage kommt, solange nicht bestimmte Konstellationen erfüllt sind. Ich bin eben kein Politiker, der nur mal mit dem Rücktritt droht. Ich glaube, daß so ein Schritt deutlich machen muß, was für einen Wert so ein Theater darstellt, und daß man damit nicht wie mit einer Würstchenbude umgeht, die man heute schließt und morgen wieder aufmacht.

Wie hätte eine Lösung ausgesehen?

Wesentlich war für mich der Respekt vor dem Vertrag, den Pierwoß abgeschlossen hat. Wir haben immer die Bereitschaft zum Sparen signalisiert, aber die Streichung von dreieinhalb Millionen hätte entscheidende Einschnitte in den künstlerischen Möglichkeiten gebracht. Und die wollte ich nicht mitverantworten.

Jetzt sind es zweieinhalb Millionen weniger ...

Teile davon sind quasi Absichtserklärungen. Das Theater bemüht sich um Einsparungsmöglichkeiten. Gibt es welche, werden die umgesetzt. Wenn nicht, muß die öffentliche Hand diesen Betrag weiterhin zur Verfügung stellen.

Kultursenatorin Kahrs hat bereits angedeutet, daß sie nicht weiß, woher sie das Geld dann nehmen soll.

Ich sehe nicht die Entspannung an der Theaterfront für einen längeren Zeitraum. Wenn das Bewußtsein in der Stadt bei denen, die über die Zuschüsse zu befinden haben, sich nicht grundlegend ändert, dann wird das immer wieder aufs Tapet kommen.

Herr Pierwoß warf der Senatorin „theaterschädigendes Verhalten“ vor und sprach von „politischer Verkommenheit“.

In Strecken des Konfliktes hat sich tatsächlich politische Verkommenheit dokumentiert, auf ganz dramatische Weise und bei einer Vielzahl von Personen. Ich bin daher wenig optimistisch.

Wer wird Ihr Nachfolger?

Das kann ich nicht sagen, dazu müßte ich Hellseher sein. Es gab etwa 30 Bewerbungen, aber man hat bisher keinen geeigneten gefunden. Und tatsächlich hat der Konflikt und die Art, in der er ausgetragen wurde, auch konkret zwei Kandidaten so abgeschreckt, daß sie ihre Bewerbung zurückgezogen haben. Daß noch niemand gefunden worden ist, mag auch daran liegen, daß, so habe ich gehört, die Politik versucht, Kandidaten zu beeinflussen. Es wäre der absolut falsche Schritt, wenn die Politik versucht, im Vorfeld einer Besetzung über den verlängerten Arm einer Behörde einzugreifen.

Fragen: Dora Hartmann