Transrapide Bürgerbeteiligung im Chaos

Bis 7. September liegen die Unterlagen zum Raumordnungsverfahren für den Transrapid aus – doch die Bezirke fühlen sich mit den Sorgen der Menschen allein gelassen und überfordert. Kritik an der verdächtigen Eile der Planer  ■ Von Kathi Seefeld

„Wo geht sie rauf, wo geht die Trasse runter? Die Unterlagen sind eine Zumutung, und es ist eine Mordsarbeit, sich wenigstens einigermaßen Wissensvorlauf gegenüber den Bürgern anzulesen“, fluchte der Leitende Spandauer Baudirektor Walter Göllner gestern gegenüber der taz. Die Schatten des Transrapid schweben über Berlin. Vorerst als Raumordnungsverfahren und sozusagen in Gestalt von 21 dicken weißen Aktenordnern, die noch bis zum 7. September in zwölf Bezirksämtern der Stadt zur Bürgerbeteiligung ausliegen. Doch Rat- und Fassungslosigkeit, mit der sich bereits in den vergangenen drei Wochen selbst Stadtplaner über die Unterlagen beugten, lassen auch für die noch verbleibende Zeit der Bürgerbeteiligung wenig Hoffnung auf umfassenden Durchblick. „Eine solche Aktenfülle auf den Tisch zu legen, ohne die Spur einer Anleitung, ohne die nötige personelle Ausstattung und faktisch erst in dem Moment, wo die Bürger schon auf der Türschwelle standen, das kann eigentlich nur als bewußt böse Absicht betrachtet werden“, so Göllner. Um fundierter in die Unterlagen einzutauchen, müsse der Zeitraum für die Bürgerbeteiligung deutlich verlängert werden.

Doch genau dies lehnen die Transrapidplaner ab. Die Einhaltung der Termine, das ist der einzige Erfolg, den sie momentan für sich verbuchen können und nur aus diesem Grunde äußerte sich die Magnetschnellbahn-Planungsgesellschaft knapp zwei Jahre nach ihrer Gründung in der vorigen Woche so außerordentlich zufrieden. „Anfang 1997 werden nach Abschluß der Raumordnungsverfahren die planerischen Vorbereitungen für die folgenden Planfeststellungsverfahren getroffen“, meinte Sprecher Peter Jablonski. „Im Herbst 97 werden die ersten Planfeststellungsverfahren für die 292 km lange Strecke beginnen, damit Ende 1998 der planmäßige Baubeginn erfolgen kann.“

292 Kilometer – damit scheint eine Entscheidung für die in den Planungsunterlagen ausgewiesene Präferenzstrecke längst beschlossene Sache zu sein. Jene Variante, die die Bezeichnung „Trasse 32, W1“ trägt, würde in Berlin von Spandau zum Lehrter Bahnhof und, so die Planer der Magnetbahngesellschaft, „überwiegend auf oder über bestehende Bahnanlagen führen.“ Eine Transrapidstation in Spandau würde dem landesplanerischen Ziel der Stärkung des Hauptzentrums dienen, die Magnetbahnstation Lehrter Bahnhof dem landesplanerischen Ziel der „Stärkung des international und hinsichtlich seiner Regierungsfunktion bedeutsamen Zentrumsbereichs Mitte“. Für die „Trasse 32, W1“ würden sich im Vergleich zu anderen möglichen Varianten außerdem die niedrigsten Investitionen und die höchsten Ein- und Aussteigerzahlen ergeben.

„Natürlich können wir in Spandau nicht sagen, ob eine andere Strecke besser wäre, wir können auch nichts dazu sagen, ob wir dieses Verkehrsmittel überhaupt für sinnvoll halten.“ Aber, so Walter Göllner, der Bezirk habe sich darauf verständigt, eine Wald- und Wassertrasse, „alles, was den Erholungswert der Gegend hier mindern könnte“, abzulehnen. Sicher sei schon heute, daß Häuser abgerissen werden müßten, wenn der Transrapid über Spandau komme. Auf keinen Fall dürfe dies schwerwiegende Folgen für die Bewohner haben. „Der Bezirk forderte deshalb von der Magnetbahngesellschaft den Einsatz einer Sozialplanungsgruppe, um Eingriffe in die Lebensbereiche der Bevölkerung so sozial wie möglich zu gestalten.“ Doch noch, so die Antwort der Transrapidplaner, sei es für Sozialmaßnahmen zu früh.

Für nicht zu früh befand die Planungsgesellschaft dagegen, daß die zwölf von Trassenvarianten betroffenen Bezirksämter anfang dieser Woche fachliche Stellungnahmen abzugeben hatten. „Vor Ablauf der Bürgerbeteiligung und somit, ohne den Willen unserer Bürger zu kennen“, kritisierte der stellvertretende Stadtplanungsamtsleiter von Charlottenburg Reinhard Jahnke diesen Termin. In seinem Bezirk sind im Falle einer Entscheidung für die Präferenztrasse besonders Gartenkolonnien wie die Anlagen „Fürstenbrunn, Ruhwald, Spreegrund und Schleusenland“ betroffen. Die Kleingärtner hätten bereits Schlange gestanden, um sich die Planungsunterlagen erläutern zu lassen. Für Walter Göllner ist die Sache klar: „Auf uns lastet die Arbeit, wir müssen mit den Ängsten der Bewohner umgehen, aber unsere Meinung hat faktisch nicht mehr Gewicht als die einer Bürgerinitiative.“

Eine Stellungnahme nicht nehmen lassen wollen sich dagegen heute abend die Bezirksverordneten in Prenzlauer Berg. Nach der Präferenzstrecke über Spandau und Charlottenburg zum Lehrter Bahnhof gilt die Trassenvariante „N1“ – N steht für Nordkorridor – als aussichtsreichster Weg des Transrapids in die Stadt. Entlang der Autobahn A 114 führt diese Trasse vorbei am Güterbahnhof Pankow, erreicht ebenerdig in Höhe der Kleingartenanlage „Bornholm“ den Bezirk Prenzlauer Berg, unterquert die Bösebrücke an deren östlicher Seite, wird dann unter Nutzung des ehemaligen Grenzstreifens parallel zur Norweger Straße hochgeführt, um die zur Zeit im Bau befindliche Behmstraßenbrücke zu überqueren. Von dort aus verläuft sie in einer sehr engen Kurve weiter in Richtung Gesundbrunnen, wobei die Trasse wieder unterhalb der Swinemünder Brücke weitergeführt werden soll. Während dieser etwa fünfzehn Sekunden, die der Transrapid einer Achterbahn gleich den Bezirk Prenzlauer Berg durchschwebt, sind es vor allem akustische Belästigungen, mit denen Anwohner und Kleingärtner der Finnländischen, Norweger, Isländischen und Ueckermünder Straße rechnen müssen. Die Schallprognosen gehen von bis zu 49 Dezibel am Tag und 44 dB in der Nacht aus. Einerseits ist dies ausreichend, um von einem „hohen Beeinträchtigungsgrad“ zu reden, andererseits aber nicht genug, um Schallschutzmaßnahmen einplanen zu müssen. Zur Vermeidung städtebaulicher Beeinträchtigungen sei auch eine Tunnelvariante unter der Behmstraßenbrücke vorstellbar. Das Bezirksamt Prenzlauer Berg lehnte in seiner Stellungnahme die „N1“-Trasse bereits ab.

Bereits 50 Millionen Mark flossen nach Aussagen der Magnetbahngesellschaft in den vergangenen zwei Jahren in die Vorbereitung des Raumordnungsverfahrens und die Öffentlichkeitsarbeit. Doch die Informationsdefizite sind enorm, schätzt auch Jürgen Schwenzel vom Stadtteilverein „Moabiter Radschlag“. Die Bürgerinitiativen hätten derzeit ohnehin kaum Kapazitäten, um sich näher mit den Transrapidplanungen zu beschäftigen.“ In Berlin stehen momentan die Änderungen zum Flächennutzungsplan auf der Tagesordnung. „Da geht es für uns in Moabit mit einem sehr großen Grün-Defizit im Norden darum, eine 1994 noch als Stadtteilpark ausgewiesene Fläche zu retten, die jetzt als Güterverkehrs- und Logistikzentrum ausgewiesen wurde.“

Schwenzel weiß, daß unabhängig von den Senatsplanungen nunmehr ein weiteres Stück Grün, das auch noch als Ausgleich zum Bau des Tiergartentunnels gedacht war, der sogenannte Döberitzer Park, dem Transrapid, konkret einer geplanten Abstellanlage, zum Opfer fallen könnte. Eine Abstellanlage hätte außerdem noch einen Effekt. “Wir hätten hier in Moabit ein weiteres hellbeleuchtetes und stacheldrahtumzäuntes Gelände, denn der Transrapid wird ohne Frage das interessanteste Objekt für die Sprayer hier werden.“ Der Stadtteilexperte ist in Sachen Magnetschnellbahn für eine Nulllösung. Die Prognosedaten seien nicht glaubwürdig, das Verkehrsmittel auf dieser Strecke vollkommen überflüssig. „Mit zweihundert Stundenkilometern Achterbahn durch Berlin zu fahren, kann wohl auch nicht das Ziel sein“, so Schwenzel. Für das Gebiet rings um die vorläufige Endstation Lehrter Bahnhof sieht er ein „wahnsinniges Verkehrsaufkommen“ zukommen. Schwenzel: „Schon der Ausbau als Zentralbahnhof und der Tiergartentunnel sind eine Katastrophe. Der Transrapid steigert diese Zentralität noch.“ Aus städtebaulicher Sicht sei jene Variante, wonach die Magnetbahn vom Bereich des Großmarktes an hoch oben über die Beusselbrücke führen soll, eine Zumutung. Da bleibe einem faktisch nichts anderes, als sarkastisch die Berliner damit zu trösten, meint Schwenzel, daß „wenn sie später einmal vom S-Bahnhof Beusselstraße zum Bus rüber müssen, dann wenigstens eine Überdachung haben.“