Eine, die ihren Preis kennt

Der hektische Wechsel von Nationallibera Doris Fitschen nach Praunheim zeigt einmal mehr, daß im Frauenfußball die Zeit reif ist für das Halbprofitum  ■ Von Matthias Kittmann

Frankfurt (taz) – Der Bote mußte an jenem Freitagmorgen vergangener Woche ziemlich aufs Gaspedal treten. Um 12 Uhr schließt beim Deutschen Fußball- Bund (DFB) die Paßstelle, und es war schon gegen 10 Uhr. Aber wenn es darauf ankommt – und in diesem Fall kam es darauf an –, schafft man die Strecke von Frankfurt nach Siegen in gut einer Stunde. Das Wichtigste aber lag im Handschuhfach – ein dezenter Umschlag. Der Inhalt waren 15.000 Deutsche Mark in bar.

Frauenfußball ist ein Cash-Geschäft, erst recht, wenn es pressiert. Wer eine Doris Fitschen verpflichtet, will sie nicht bis zum 1. November auf der Bank sitzen lassen, damit sie ablösefrei ist. Doch auch wenn beim Meisterschaftsfinalisten SG Praunheim-Frankfurt einiges Geld bewegt wird – jeden Preis bezahlt der clevere Manager Siegfried Dietrich nicht. 45.000 Mark wollte Meisterin Siegen, deren Fußballfrauen vor kurzem vom TSV zu den Sportfreunden wechselten, ursprünglich für den spektakulärsten Transfer der Liga – eine Rekordsumme. So mancher Bundesligist könnte damit zwei Drittel seines Etats decken. Doch auch die Halbwertzeit einer renommierten Nationalspielerin sinkt rapide, wenn der erste Spieltag erst einmal gespielt ist. Dietrich ist einer der wenigen Profis im Frauenfußball, und er pokerte bis zuletzt. Am Ende waren Siegen die 15.000 Mark in bar lieber als der Schwank für die Enkel, einmal 45.000 Mark gefordert, aber nicht bekommen zu haben. Das Freigabe-Fax ging noch rechtzeitig in der Frankfurter DFB-Zentrale ein.

Auch Doris Fitschen ist ein Profi. Natürlich nicht im Sinne eines 18jährigen Rotzbengels, der bei Bayern München oder Borussia Dortmund schon im ersten Profijahr seine 500.000 Kohlen mit nach Hause nimmt. Eine Spitzenfußballerin kann in Deutschland bestenfalls vom Fußball leben, auf die Seite legen kann sie nichts. Trotzdem kennt die Libera des Nationalteams ihren Preis. Schon vor einigen Jahren sagte sie auf die Frage, ob sie denn zu den Besserverdienenden in der Bundesliga gehöre, selbstbewußt: „Das will ich doch wohl hoffen.“

Das mag für Nostalgiker des Frauenfußballs unverschämt klingen, aber eine wie Fitschen ist eben nicht mehr bereit, für ein warmes Essen höchst professionellen Aufwand zu betreiben. Und sie sagt ohne Umschweife: „Wenn der Frauenfußball in Deutschland weiter auf seinem hohen Niveau bleiben will, geht das nur über das Halbprofitum. Anders ist der notwendige große Aufwand nicht zu leisten.“

Praunheim-Manager Siegfried Dietrich scheut konkrete Zahlen wie der Teufel das Weihwasser, doch das wenige, was er sagt, verrät einiges. Fitschen wird nicht über den normalen Etat, der auch ohne sie schon über 300.000 Mark beträgt, finanziert, sondern über seine eigene Firma Sidi-Sportmanagement sowie einige Sponsoren. Das heißt, die Betriebswirtschaftsstudentin ist Angestellte seiner Firma und wird dort, soweit es ihr der Fußball erlaubt, bei der Organisation von Veranstaltungen wie „Gala on Ice“ oder „Stars on Ice“ helfen. Kein reiner Fake, denn die 27jährige mit journalistischen Erfahrungen beim WDR will später durchaus diese berufliche Richtung einschlagen.

Doch viel lieber wäre ihr gewesen, wenn sie mit Fußball noch einmal „richtig“ Geld hätte verdienen können, daraus macht sie kein Hehl. In ihrem Kontrakt mit Praunheim hat sie sich festschreiben lassen, daß sie in die japanische Profiliga wechseln kann. Kein Wunschdenken, denn vor zwei Jahren hatte sie schon einmal ein konkretes Angebot auf dem Tisch: 100.000 Dollar für vier Monate Fußballspielen. Der DFB gab ihr und anderen jedoch unmißverständlich zu verstehen, daß mit so einem Wechsel die Nationalteamkarriere beendet sei. Doch auf Weltmeisterschaft und Olympia wollte sie nicht verzichten.

Auch wenn sie es nicht gern zugibt – im nachhinein ärgert sie sich, das Angebot nicht angenommen zu haben. Bei der WM in Schweden war sie verletzt, und bei den Olympischen Spielen schied die Mannschaft schon in der Vorrunde aus. Das große Ziel Atlanta wurde für Doris Fitschen zur „größten sportlichen Enttäuschung“. Und sie ist ehrlich genug einzuräumen: „Auch ich war in Amerika ziemlich schwach.“

Selbstbewußtsein und Selbstkritik sind für die blonde Frau aus dem hannoverschen Westerholz im Gegensatz zu manchen KollegInnen kein Widerspruch. Deshalb ist ihr auch klar, „daß ich mich bei Olympia nicht gerade für Japan empfohlen habe“. Ihre Trauer über die verpaßte Japan-Chance hält sich mittlerweile in Grenzen: „Ich freue mich auf Praunheim, das ist genau das, was ich jetzt brauche, um mich nach Olympia neu zu motivieren.“ Auch der TSV Siegen, mit dem sie noch vor drei Monaten in Frankfurt gegen Praunheim Meister wurde, ist abgehakt: „Da war einfach die Luft raus.“ Daß von ihr in Praunheim einiges erwartet wird, ist ihr sehr wohl klar. Bei der exklusiven Mannschaftspräsentation der SG Praunheim plazierte sie der Manager unter einem Riesenposter, auf dem Doris Fitschen lässig den Meisterpokal im Arm hält.