Schriften zu Schriften...
: Schreiben, aber bitte mit Niveau

■ Neues Design unerwünscht: Der gute, alte Füller feiert ein teueres Comeback

Frau Doktor nimmt das Meisterstück. Elegant und satt fließt die schwarze Tinte aufs Rezept, wenn sie Hustensaft verschreibt. Das Meisterstück ist dicker als ihr Finger, deshalb liegt es auch so gut in der Hand. Was bei manchen noch ungute Erinnerungen an die Schulzeit und mühseliges Kratzen mit der Feder weckt, ist für andere zum Liebhaberstück geworden: Der Füllfederhalter steht wieder einmal hoch im Kurs.

Im Haus meiner Eltern gab es ein altes Pelikan-Set, den schwarzgrün gestreiften Füller samt Kuli. Sie lagen einfach so herum, waren Notnägel für daheim, zum lustvollen Schreiben aber nahm man modernere Stifte zur Hand, vermutlich etwas aus Plastik. Eines Tages sind die alten Stücke dann verschwunden, und niemand hat sich darum geschert.

Vielleicht gehört die Wiederbelebung des Füllers zur allgemeinen Nostalgiewelle, ist nur ein Baustein in der Traumwelt der Besserverdiener, die daheim den Toaster aus den fünfziger Jahren stehen haben, deren Sofa Biedermeier ist und bei denen auf der Toilette eine Art-déco-Lampe hängt. Neues Design steht dem wahren Füllerträger in jedem Fall nicht gut an. Poppige Kreationen aus Plastik oder Metall mögen etwas für Parvenues und kulturlose Modernisten sein, der wahre Füllerliebhaber verschmäht sie mit gerümpfter Nase.

Was zählt, ist nicht viel. Da wäre einmal der schwarze Füllfederhalter aus Edelharz des französischen Marktführers, selbstverständlich mit Goldfeder und Kolbenmechanik zum Aufziehen der Tinte aus dem Gläschen. Als Alternative bleibt höchstens ein Stück aus der „Souverän“-Serie eines hiesigen Herstellers, entweder auch tiefschwarz oder grünschwarz gestreift. Darunter geht nichts. Gewiß, es gibt einfachere Modelle. Doch ihnen fehlt etwas ganz Entscheidendes: die Identität. Der eine hat den Stern auf der Motorhaube, der andere hat ihn auf der Füllerkappe. Man trägt ihn nicht mehr bescheiden in der Innentasche des Jacketts, sondern mit Vorliebe an der Brusttasche des Hemdes: Schaut nur, ich schreibe mit Niveau. Schneller Konsum ist meine Sache nicht. Alles eine Frage des Bewußtseins.

Das kostet: Um die 600 Mark legt man für das Meisterstück hin, aber auch edlere Stifte für 2.000 Mark finden ihre Käufer. Eines der exklusivsten Schreibwerkzeuge, die je auf dem Markt zu haben waren, kostete 160.000 Mark und war mit Brillanten besetzt.

Natürlich spricht niemand gern von seiner Lust am Protzen. BesitzerInnen eines solchen Schreibgeräts loben die hohe Qualität des Produkts, den guten Fluß der Tinte, die elastische Goldfeder – altbewährte Wertarbeit eben. Übrigens: Ausleihen darf man ihn nie, keine Feder schreibt wie die andere, selbst wenn sie alle unter „Mittel“ oder „Breit“ firmieren.

Kluge Köpfe in der Schreibbranche wissen längst, wie die individuelle Note mit etwas Schiebung vorgegaukelt werden kann. Als Steffi Graf beschuldigt wurde, Steuererklärungen und Geschäftspapiere eigenhändig unterschrieben zu haben, kam sie selbst ins Grübeln. Die Grafsche Signatur, die da offenkundig mit Goldfeder und edler Tinte unter die Dokumente gesetzt worden war, stammte nicht etwa von ihrer Hand, sondern von einem Schreibautomaten für Autogrammkarten. Adrienne Braun