Alles unter Kontrolle

Medienpolitik in Exjugoslawien  ■ Von Romana Dobnikar-Seruga

Am 15. Februar dieses Jahres annullierte das Belgrader Handelsgericht die Privatisierung des Fernsehsenders StudioB, obwohl sie 1991 vollkommen legal nach damals herrschenden Gesetzen durchgeführt worden war. Belgrads einziger unabhängiger Sender hatte die Herzen seiner Zuschauer mit der Berichterstattung über den Krieg gewonnen: Nur StudioB brachte damals unzensierte Berichte von den bosnischen Kriegsschauplätzen. Aber der Sender hatte für seine Unterstützung der Protestdemonstration gegen die Entlassung von 1.000 im Staatssender arbeitenden Journalisten im Januar 1993 den Zorn der Regierung auf sich gezogen.

Die Stadtregierung übernahm die Kontrolle und versprach, aus StudioB einen „modernen, niveauvollen und anständigen“ Sender zu machen. Was sie mit „anständig“ meinte, zeigte sich, als die Nachrichten schon am folgenden Tag fast ausschließlich über die herrschende Partei berichteten, die Politik der Opposition dagegen keine Erwähnung mehr fand.

Der Fall StudioB war nur der letzte in einer Reihe von Schließungen und Regierungsübernahmen, die Miloševićs Medienpolitik kennzeichneten. Die Tageszeitung Borba verschwand im Dezember 1994, die Tageszeitung Svjetiost in Kragujevac 1995. Nur RadioB92, die Wochenzeitungen Nin und Vreme und die Presseagentur Beta überlebten.

Zu sagen, Milošević „zensiere“ Journalisten, würde einen falschen Eindruck vermitteln – er hat andere Mittel, sie zum Schweigen zu bringen. Ungehorsame Journalisten werden als „Verräter an der serbischen Nation“, „Schreiberlinge der Opposition“ oder gar „Agenten ausländischer Mächte“ bezeichnet. Manchmal benutzt das Regime differenziertere, jedoch ebenso wirksame Methoden, sie loszuwerden: Man limitiert Frequenzzugänge, kürzt Papierrationen, setzt Verkaufspreise fest, übt Druck auf Anzeigenkunden aus, attackiert freie Journalisten in der offiziellen Presse und verfolgt sie wegen „Wortverbrechen“.

Den Zeitpunkt für seine jüngste Kampagne gegen die unabhängigen Medien hat Milošević gut gewählt. Während er um internationale Anerkennung der neuen jugoslawischen Föderation und Aufhebung der Sanktionen buhlte, mußte er sich zurückhalten. Seit er jedoch zum Partner im Friedensprozeß avanciert ist – und mit Blick auf die Wahlen im Herbst –, beeilt er sich, die Risse im Mediennetz zu flicken.

Keine Chance für unabhängige Medien

In anderen Teilen des Balkans geht es dem unabhängigen Journalismus nicht besser. 1989 verlor der Kosovo mit seiner politischen Autonomie auch seine Medien. Die albanischsprachige Tageszeitung Rilindja wurde verboten und wird derzeit von einer Schweizer Druckerei aus ins Land geschmuggelt. Priština RTV, der unbestritten führende serbische Radiosender, ist unter Aufsicht des Belgrader RTV gestellt. Überhaupt werden keine Frequenzen mehr an private Betreiber vergeben, und die albanische Bevölkerung im Kosovo ist auf Rundfunk- und Fernsehsendungen aus Tirana oder aus dem weiteren Ausland angewiesen – für die, die entsprechende Empfangsgeräte haben.

In Montenegro werden der alte nationale RTV, einige regionale Rundfunksender, die führende Tageszeitung Pobjeda (Sieg) wie auch Wochen- und Monatszeitschriften streng vom Regime kontrolliert. RTV, Rundfunk und Pobjeda sind in staatlichem Besitz, ihr Management rekrutiert sich ausschließlich aus den Reihen der Regierungspartei. Jeder Versuch, ihrer Aufsicht zu entkommen, wie etwa Radio Tivat es wagte, wird im Ansatz erstickt. Mit löblicher Ausnahme der Wochenzeitung Monitor sind auch die meisten sich unabhängig nennenden Publikationen Organe der einen oder anderen politischen Partei. Montenegros Gerichte reagieren schnell auf Herausgeber und Journalisten, deren Handlungen sie als „schädlich für den Ruf des Staates oder seiner Vertreter“ einstufen.

In der früheren jugoslawischen Republik Makedonien stehen sowohl der offizielle Rundfunk- und Fernsehsender als auch die Tageszeitungen Nova Makedonia und Vecer unter Regierungsaufsicht. Einige Zeitungen behaupten zwar von sich, unabhängig zu sein, sind aber in Wirklichkeit eng an die eine oder andere politische Partei gebunden. Die Situation von Rundfunk und Fernsehen ist komplex. Es gibt nicht weniger als 300 Rundfunk- und 17 private Fernsehsender, jedoch senden sie in der Hauptsache nur Filme, Shows und Sendungen aus dem Ausland, in der Hauptsache solche des serbischen Fernsehens.

Bosnien-Herzegowina ist ein besonderer Fall. Keine Zeitung und kein Radio- oder Fernsehsender erscheint beziehungsweise senden landesweit. Die Medienlandkarte spiegelt präzise die immer tiefer werdenden Gräben zwischen den Ethnien des Landes: serbisch, kroatisch, bosnisch.

In Kroatien sind mit Ausnahme der Wochenzeitung Drzavnost (ein Ableger der Zeitung der Regierungspartei) alle 702 Rundfunk- und Fernsehsender außerhalb der Regierungskontrolle. Doch von den fünf führenden Tageszeitungen des Landes, die während des Krieges fest an der Seite des Präsidenten standen, versucht nur Novi List sich ernsthaft aus dem Griff des Staates zu befreien. Tudjman beschuldigt sie, der Opposition nach dem Munde zu reden – „für verschiedene antikroatische Bewegungen, nicht kroatische Unabhängigkeit“ –, und die Zeitung wurde zur Zahlung eines angeblichen Steuerrückstands verurteilt; Steuern, von deren Zahlung sie 1993 ausdrücklich befreit worden war – immerhin 2,5 Millionen Dollar. Andere große Tageszeitungen Zagrebs wie Vjesnik, die der Bank Privredna Banka Zagreb gehört, sind regelmäßige Unterstützer von Regierung und Präsident.

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In den verstreuten Provinzen Kroatiens ist die Situation unterschiedlich. Die Mehrheitsaktionäre einiger Zeitungen, Rijekas Vecernji List und Novi List beispielsweise, sind Journalisten. In Osijek, Ostslawonien, wird Glas Slavonije von den lokalen Behörden beaufsichtigt; eine neue unabhängige Tageszeitung, Gradanski List, soll, finanziert von einem ansässigen Unternehmer, im nächsten Jahr gegründet werden. Bis zur Übernahme 1992 durch Miroslaw Kutle, früher Angestellter einer Versicherungsgesellschaft, galt Slobodna Dalmacija als die furchtloseste kroatische Tageszeitung.

Produktionsmittel kollektiver Hypnose

Die Regierungen von Belgrad und Zagreb gehen mit der Pressefreiheit auf ähnlich nachlässige Weise um: Wirtschaftliche Strangulierung, parlamentarischer Druck und physische Gewalt gegen Journalisten, die sich nicht an die offizielle Linie halten, sind an der Tagesordnung. Sowohl Tudjman als auch Milošević ist die Bedeutung der Bilder, die in kroatische und serbische Stuben gelangen, nur allzu bewußt. Die Medien sind nichts anderes als ein mächtiges Instrument zur Produktion einer kollektiven Hypnose, in anderen Worten: Propaganda. Die einzigen unabhängigen Publikationen, die noch überleben, haben kleine Auflagen und wenig Einfluß – die ausgezeichnete Belgrader Tageszeitung Vreme ist typisches Beispiel – und können nicht im geringsten mit der serbischen Regierungszeitung Politika konkurrieren.

Auch in Kroatien findet man Mittel und Wege, Zeitungen, die sich hervorwagen und zu einflußreich werden, zu bremsen. Als 1992 die populäre Wochenzeitung Danas eine Auflage von 100.000 erreichte, wurde ihr Kioskverkauf praktisch gesperrt. 1994 wurde die in Split erscheinende satirische Wochenzeitung Feral Tribune, konstante und witzige Gegnerin Tudjmans, mit dem Vorwurf, sie sei pornographisch, vor Gericht gezerrt. Erst nach einem Jahr verwarf das Gericht die Klage – und wieder schaffte es Feral Tribune, dem Präsidenten mit ihren komischen und unflätigen Angriffen auf den Wecker zu gehen.

Am 7. Mai 1996 wurden Chefredaktion und Redaktion von der Zagreber Staatsanwaltschaft wegen „Diffamierung und Beleidigung des Präsidenten“ angeklagt (siehe auch den Artikel von Marinko Culić auf diesen Seiten). Das Strafgesetz war gerade im März um ein entsprechendes Gesetz erweitert worden, und auch die Wochenzeitung Nacional hatte sich schnell eine entsprechende Klage eingehandelt.

In der gesamten Region, vor allem in Serbien, werden offizielle Zeitungen stark subventioniert und haben es daher leicht, unabhängige Publikationen, die ihren Lesern zu teuer werden, vom Markt zu verdrängen. „Wenn keiner dich hört oder liest, darfst du deine Meinung frei sagen“, faßt eine Journalistin der Belgrader Nasa Borba die Situation zusammen. Die Apathie der Öffentlichkeit, die sich in der jahrzehntelangen propagandistischen Medienöde entwickelt hat, macht den heutigen Regimen die Arbeit leicht. Während die Nationalisierung von StudioB massenhafte Proteste im Ausland auslöste, kamen in Belgrad selbst zur Protestdemonstration vor dem Hauptgebäude von RTV nur zweihundert Menschen.

Romana Dobnikar-Seruga schreibt für die in Ljubljana erscheinende Delo.