Eine Frau für Liberias Friedensprozeß

■ Mit Ruth Perry bekommt das Bürgerkriegsland die erste Präsidentin Afrikas. Sie soll zusammen mit nigerianischen Soldaten Liberias Warlords zur Einhaltung ihrer Friedensversprechungen zwingen

Berlin (taz) – Neue Hoffnungen keimen im westafrikanischen Bürgerkriegsland Liberia. Es gibt einen neuen Friedensvertrag, und Liberia hat jetzt mit der neuen Staatsratsvorsitzenden Ruth Perry das erste weibliche Staatsoberhaupt des modernen Afrika. Ihre Ernennung begeisterte die Frauen der Hauptstadt Monrovia so sehr, daß sie vorige Woche in großer Zahl und festlichen Gewändern auf den internationalen Flughafen strömten, um die neue Präsidentin zu begrüßen. Leider verspätete sich Perrys aus Nigeria kommendes Flugzeug um mehrere Tage, so daß die meisten von ihnen schon wieder zu Hause waren, als Ruth Perry am Freitag ankam.

Mit der Präsidentin kam auch die neue Regierung Liberias, die im wesentlichen aus der alten besteht, also aus den Führern der Bürgerkriegsfraktionen und den von ihnen ernannten Ministern. Einstige Todfeinde wie Roosevelt Johnson und Charles Taylor, die vor vier Monaten die schon kriegsbedingt heruntergekommene Hauptstadt vollends kaputtgeschossen hatten, beschworen Frieden und Versöhnung. Und am Wochenende befahlen die Milizenchefs ihren Soldaten die Einhaltung der seit 20. August geltenden Waffenruhe.

Bis Ende Januar 1997, so steht es im neuen Friedensplan, sollen die Bürgerkriegsarmeen Liberias entwaffnet sein, im Mai sollen Wahlen stattfinden. Das soll den Krieg beenden, der Ende 1989 mit der Aufnahme des Guerillakampfes durch die „Nationalpatriotische Front Liberias“ (NPFL) unter Charles Taylor gegen die damalige Regierung begann. Der Krieg hat 150.000 Tote gefordert und das liberianische Staatswesen zerstört.

Der neue Friedensplan wurde am 17. August in Nigerias Hauptstadt Abuja unterzeichnet – fast genau ein Jahr nach dem alten Friedensplan, der 1995 von denselben Leuten am selben Ort unterzeichnet worden war. Danach war ein Staatsrat unter Präsident Wilton Sankawulo eingerichtet worden, in dem alle Bürgerkriegsparteien saßen, und die westafrikanische Friedenstruppe „Ecomog“ war mit der Entwaffnung der Bürgerkriegsmilizen vor den für August 1996 geplanten Wahlen beauftragt. Das alles ging zu Ostern in Kämpfen unter, als der Staatsrat die Verhaftung des Warlords Roosevelt Johnson beschloß und der sich widersetzte.

Nach dem Zusammenbruch des Abuja-Vertrags forderten verschiedene Politiker, zumeist Gegner des in Liberia selbst übermächtigen Charles Taylor, die Auflösung des Staatsrats zugunsten einer vom Ausland gestützten Präsidialregierung. Das neue Abuja-Abkommen versucht ein bißchen von beidem: Der Staatsrat und damit die Machtbasis des Buschkämpfers Charles Taylor in der Hauptstadt bleibt bestehen. Aber die neue Präsidentin Perry, eine frühere Senatorin, strebt eine aktivere Rolle an als ihr fast unsichtbarer Vorgänger. „Ich kann hart wie Stahl sein“, sagte sie.

Zugleich wird deutlich, daß Liberias Politik mehr denn je in Nigeria gemacht wird. Nigerias Militärregierung kündigte die Aufstockung der hauptsächlich aus Nigerianern bestehenden „Ecomog“- Friedenstruppe von 8.500 auf 18.000 Mann an. Zugleich wurde der bisherige „Ecomog“-Kommandant John Inienger von Victor Malou abgelöst. Der nigerianische General verdiente sich seine Sporen vor vier Jahren, als seine „Ecomog“-Einheiten Taylors Truppen aus Monrovia vertrieben.

Man könnte es Taylor nicht verübeln, wenn er heute Malous Neutralität anzweifelte. So ist der neue Frieden bereits in Gefahr. Ohnehin bleibt offen, wie den 60.000 Milizionären Liberias – viele davon Kindersoldaten – eine neue Lebensperspektive geboten werden soll. Da sich im April fast alle ausländischen Organisationen aus Liberia zurückgezogen haben, ist internationale Hilfe für das verwüstete Land heute weniger zu erwarten denn je. Dominic Johnson