■ Mit der Cebit Home auf du und du: Sinnliche Reize
Hannover (taz) – Für den Markennamen der neuen Ausstellung hat die hannoversche Messe-AG die Bezeichnung der weltgrößten Computermesse einfach um das Wort „Home“ ergänzt. Doch die neue „CebitHome Electronics“, die von heute an fünf Tage lang sieben Hallen des hannoverschen Messegeländes mit Besuchern füllen soll, ist schon von der Größe her kaum mit der alljährlichen Cebit-Computermesse vergleichbar. Über 6.000 Aussteller präsentierten sich im März auf der Cebit, auf gerade 643 kommt nun die erste Cebit Home, die Computer, Unterhaltungselektronik und Telekommunikationstechnik zur Schau stellt.
Eine Notgeburt: Denn die Cebit drohte an ihren zuletzt 600.000 Besuchern zu ersticken, und so hat die Messeleitung nun für die jungen Computerfans eine Spielwiese geschaffen. Zwei der Cebit-Home-Hallen sind von vornherein für das Feiern, das „Entertainment“, reserviert. Das abendliche Cebit- Besäufnis mit dem Geschäftspartner wird durch die Technoparty ersetzt. Das Publikum kann dabei die mit 270 Quadratmetern angeblich weltgrößte Mulitmedia-Leinwand für Computerspiele bewundern.
Die Messe-AG sieht darin ein „Schaufenster der Branche“ und hat tatsächlich nichts weiter als eine Werbeveranstaltung gestrickt. 150.000 Besucher soll sie dieses Jahr anziehen. Weil sie das gleiche Feld wie die Internationale Funkausstellung in Berlin beackert, soll sie aber nur alle zwei Jahre stattfinden: Immer wenn die IFA pausiert, darf die Cebit Home auch ein bißchen vorweihnachtliche Ordermesse für den Handel spielen, der sich auf den Gabentisch spezialisiert hat.
Eines Tages soll daraus wenigstens eine „Leitmesse für den Computer- und Multimediafan“ werden. Schon heute, beim ersten Mal, kann man bei einem großen Computerhersteller einen Internet-Führerschein erwerben, doch nur gegen eine Kursgebühr von immerhin 79 Mark, die auf den Tageseintrittspreis von 17 Mark noch draufkommt. Dafür gibt es neueste Spiele und die neuesten Dienstleistungen der Hard- und Sofware-Seite und natürlich sind auch die großen privaten Fernsehsender oder Medienkonzerne dabei, die ihre schöne neue Welt des Pay-TV an Kind, Frau und nicht zuletzt den Mann bringen wollen: Die digitalen Porgrammpakete, für die auf der Cebit Home geworben wird, reichen von der maßgeschneiderten Dauerfernsehberieselung für die Kids bis zur Sparte „Blue“. Damit ist der Ersatz für die Mühen um das andere Geschlecht gemeint, bestehend aus „erotischen Spielfilme und Mini-Serien“, die bald allabendlich „in neue Sphären der Sinnlichkeit entführen“. Jürgen Voges
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen