Ein kurzer Parforceritt durch die Steuergeschichte

■ Im Laufe der Jahrhunderte wurden die kuriosesten Steuern erhoben, auf Klaviere und sogar Bärte

Für Thomas von Aquin war sie ein „Raub ohne Sünde“ – die Steuer. Hatten Fürsten und Könige einen guten und „gerechten Grund“, ihre Untertanen zur Kasse zu bitten, so sei dieser „Raub“ erlaubt, meinte er. Der Schatzmeister von Heinrich dem II. von England, Richard Ely, war der Meinung, Könige hätten das Recht, ihre Untertanen ganz „nach den verborgenen Eingebungen ihres Herzens“ zu besteuern. Kein Wunder, daß im Laufe der Jahrhunderte die kuriosesten Steuern auf Klaviere oder kosmetische Schönheitsartikel, Schmuck oder Bärte erhoben wurden. Einkommensteuern im heutigen Sinne gab es dagegen jahrhundertelang nicht. Ein römischer Vollbürger war steuerfrei; nur die Metöken, vergleichbar mit heutigen Arbeitsmigranten, wurden besteuert.

Im Mittelalter erhoben manche Fürsten Kopfsteuern, auf Arme und Reiche gleichermaßen. Weltliche und kirchliche Behörden ließen es sich zudem nie nehmen, Prostituierte mit einer gesonderten Hurensteuer zu belegen. Auch bevölkerungspolitische Aspekte beeinflußten die Steuergesetzgebung, etwa wenn Männer mit Hilfe der Junggesellensteuer zur Eheschließung gezwungen werden sollten. Erst im 19. Jahrhundert spielten soziale Aspekte im Steuerrecht eine Rolle. Fast alle Landessteuergesetze sahen eine Befreiung niedriger Einkommen von der Steuer vor. Die Höhe dieses steuerfreien Existenzminimums war jedoch von Land zu Land unterschiedlich; in Preußen, Baden und Bremen lag das Existenzminimum bei 900 Mark, im Königreich Sachsen nur bei 400 Mark.

1820 wurde in Preußen die Dreiklassensteuer und damit auch das Klassenwahlrecht eingeführt. Das privilegierte die Wohlhabenden. Die größten Steuerzahler besaßen nämlich bei allen Wahlen dreifaches Stimmrecht, der mittleren Steuerklasse wurde ein doppeltes Stimmrecht zugestanden, und die große Masse mit geringem oder gar keinem Einkommen durfte nur mit einer Stimme wählen. Ausgehend vom bäuerlichen Leben in Großfamilien betrachtete das preußische Klassensteuergesetz die gesamte Familie als Einheit, besteuert wurde der Haushalt. An einen Kinderlastenausgleich war kein Denken, im Gegenteil: Eine große Kinderzahl galt als Zeichen besonderer steuerlicher Leistungsfähigkeit, denn Kinder konnten mitarbeiten und erhöhten somit das Familieneinkommen. Singles, die zu keinem Haushalt dazugehörten, standen in Preußen besonders gut da: sie mußten oft nur die Hälfte ihres Grundsteuersatzes zahlen.

Mit zunehmender Industrialisierung veränderten sich die Steuergrundlagen: Immer mehr Länder besteuerten um die Jahrhundertwende herum nicht mehr den Haushalt als Einheit, sondern die einzelnen Mitglieder einer Familie je nach Einkommen. Erst im Dezember 1919, unter dem Druck hoher Kriegsausgaben und Reparationsleistungen, wurde die Finanzhoheit der Länder abgeschafft. Die 26 Einkommensteuergesetze der Länder ersetzte der Reichsfinanzminister durch eine einheitliche Reichseinkommenssteuer. Damit verbunden war eine deutliche Steuerprogression: Der frühere preußische Einkommensteuerhöchstsatz hatte bei vier Prozent gelegen, der neue Höchstsatz betrug das Fünfzehnfache, nämlich sechzig Prozent. Kathrin Lohmann