■ Kolumne
: Schadenfrohe Grabenkrieger

In der ganzen Familie war meine Großmutter für ihre Schadenfreude berühmt. Das größte Vergnügen war es ihr, wenn zwei sich stritten, die sie gleichermaßen widerwärtig fand. Das konnte eine Schießerei unter Kriminellen sein, eine Redeschlacht zwischen Wehner und Strauß oder aber ein Grenzscharmützel zwischen der UdSSR und China.

Diese wenig sympathische Eigenschaft habe ich von ihr geerbt, fürchte ich. Oder wie ist das Glücksgefühl zu erklären, daß ich verspüre, wenn ich über die Auseinandersetzung zwischen Mario Basler und Andreas Möller lese? Oder wenn sich VW und Opel mit Prozessen überziehen, das Rödelheim Hartreim ProjektDie Fantastischen 4 „disst“ und Fred Kogel Margarete Schreinemakers den Krieg erklärt?

Als ausgesprochen angenehm empfinde ich daher auch die Grabenkriege, die in der bundesdeutschen Plattenindustrie derzeit ausgefochten werden. So durfte auf der Kölner PopKomm Thomas M. Stein, „Vorsitzender der Geschäftsführung der BMG Entertainment International GSA Holding GmbH“ und Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes der Phonographischen Wirtschaft die Eröff-nungsrede halten, die das Branchenblatt MusikWoche dann auch gleich „im Wortlaut“ meinte abdrucken zu müssen.

Um sein ödes Gebleier etwas aufzupeppen, hatte sich Stein zwei Feinde auserkoren: die Schallplattenhändler und die GEMA. Und nachdem er mit wenig Schwung den Handel attackiert hatte, knöpfte er sich GEMA-Vorstand Professor Kreile vor, den er mit den Worten zitierte: „Musik ist nicht nur Music Business, sie ist Kultur. Die schöpferischen Menschen, die Urheber, müssen vor Mißbrauch durch große Konzerne sowohl des Musikverbraucher- als auch des Musikproduktionsgeschäftes geschützt werden.“ Diese für einen Uralt-Apparatschik wie Kreile erstaunlich wahren Worte raubten Stein die Sprache: „Ich persönlich bin betroffen durch solche Aussagen“, ist so ungefähr alles, was ihm darauf noch einfiel.

Vorzustellen, was für ein Unheil über die Welt hereinbrechen würde, wenn all diese Leute ihre Streitigkeiten überwinden und auf einmal gemeinsame Ziele verfolgen würden, mag ich mir nicht. Lieber male ich mir aus, wen ich noch gerne in öffentlichen Auseinandersetzungen sähe. Etwa Helmut Markwort und Dietrich Schwanitz, den Cheftrottel von der Morgenpost und den Cheftrottel der F.D.P., ZDF-Wetterfrosch Uwe Wesp und Gerhard Meyer-Vorfelder, Mutter Theresa und Leo Kirch ...