„Jede Szene ist wie ein kleiner Tod“

■ Juliette Binoche über ihre Arbeit und ihren neuen Film „Eine Couch in New York“

Juliette Binoche und William Hurt spielen im neuen Film der Französin Chantal Akerman die Tänzerin Beatrice und den Psychoanalytiker Henry, die sich durch den Tausch ihrer Appartements in Paris und New York kennenlernen und sich ineinander verlieben. Juliette Binoche war in Hamburg und erklärte der taz, wie es zu dieser Komödie, für alle drei Künstler ein ungewohntes Genre, kam.

Juliette Binoche: Chantal Akerman hatte mir vor fünf Jahren eine Rolle angeboten, aber die war mir zu tragisch. Ich habe ihr dann vorgeschlagen, eine Komödie über eine Putzfrau zu machen, die in verschiedenen Appartements fremde Klamotten anzieht und so ihre Lebenswelt wechselt. Einige Jahre später erzählte Chantal mir die Couch-Geschichte und ich fand sie großartig. Mir gefällt an Beatrice sehr, daß sie durch ihre positive Ausstrahlung anderen hilft, ohne es zu merken. Da Chantal die Figur für mich geschrieben hat, hat sie viel mit mir zu tun, obwohl ich natürlich anders bin. – Dieser Film ist auch nicht meine erste Komödie, sondern nur die erste, die nach Deutschland kommt. Ich war manchmal sogar erstaunt, daß Chantal nicht zum Beispiel beim Rhythmus stärker auf die Komödie gesetzt hat. Ich glaube sie hatte da etwas Angst. In den Psychoanalyseszenen wollte sie ernst sein und ich dachte mir, das ist keine Komödie – aber O.K., das ist ihr Film.

Das klingt so, als wären Sie mit der Zusammenarbeit nicht glücklich gewesen.

Leider sind wir während der Vorbereitungen nicht gut klargekommen, ich wurde vor Drehbeginn auch krank. Aber ich habe mir gesagt, ich ziehe das durch und arbeite auf ihre Art. Ich war sehr positiv, habe alles gemacht was sie wollte, und das war meine Art, durch die Dreharbeiten zu kommen. Mit William war es anders, die haben sich vorher gut verstanden, aber beim Drehen war es manchmal schwierig. Ich würde sagen, ich habe den Film gemacht, den sie wollte, nicht den ich wollte. Aber manchmal muß man das beim Filmen eben machen, wenn der Regisseur nicht so offen ist. Statt einer gemeinsamen Arbeit macht man dann eben sein Ding.

Obwohl die beiden Städte für das Lebensgefühl der Figuren eine große Rolle spielen, wurde ein sehr großer Teil des Films in Babelsberg im Studio gedreht. Wie entwickelt man da ein Gefühl für eine Außenrealität?

Wir haben wirklich außergewöhnlich viel im Studio gedreht, da Chantal auch keinen realistischen Film machen wollte. Das finde ich auch gut, denn ich mag eine etwas verfremdete Nachbildung von Realität. Dafür ist das Studio perfekt. Man braucht allerdings viel mehr Energie, weil es so unglaublich unwirklich still ist. Im Film hat man ja immer das Problem Leben nachempfinden zu müssen und wenn es keine wirkliche Realität gibt, kommt man in eine spannende andere Gefühlswelt. – Jedes Studio hat auch seine ganz eigene Atmosphäre. In Babelsberg war es sehr lustig. Wenn man draußen dreht, muß man immer auf irgendetwas warten: mal auf die Sonne, mal auf den Wind, dann auf den Regen. Eigentlich geht man ins Studio, um davon unabhängig zu sein. In Babelsberg gab es eines Tages ein Loch in der Decke und wir mußten warten bis die Sonne weg war.

Das Gegensatzpaar spontane, emotionale Frau und verkrampfter, erfolgreicher Mann ist weder neu noch sehr spannend. Im Happy-End wird Beatrice von Henry dann ins Bett getragen. Fällt man da nicht auf alte Rollenbilder zurück?

So habe ich das nicht gesehen, denn es ist ja eine Einzelsituation. Und meine eigene Erfahrung ist auch, daß Männer größere Schwierigkeiten haben, ihre Gefühle auszudrücken, weil - ich möchte das nicht erklären, aber irgendwie ist das schon so, zumindest in Europa. Naja, genauso wie man sagen kann, einige Frauen können sich öffnen, kann man sagen, einige Männer können sich öffnen. Ich habe es nicht als konservativ empfunden. Ich wollte keinen aufgeklärten Film machen, ich wollte ein Mensch sein und da gibt es unendlich viele Möglichkeiten zu denken und sich auszudrücken. Was mich interessiert hat, war der Gegensatz. Sie mußten sich beide verändern, um zueinander zu kommen, das hat mir sehr gefallen. Aber ich hätte auch sehr gerne die umgekehrte Situation gespielt, eine sehr strikte Frau.

Wie suchen Sie Ihre Rollen aus?

Nach dem Drehbuch und nach dem Regisseur, auch wenn ich oft das Gefühl habe, die Rollen suchen mich. Eigentlich ist der Regisseur das wichtigste, aber manche Filme mache ich auch ohne wirklich guten Draht zum Regisseur, einfach wegen der Geschichte. Es ist zwar traurig, das zu sagen, aber manchmal arbeite ich sowieso alleine, da der Regisseur nicht viel von Schauspielerei versteht, was nicht immer ein Problem ist. Spiel und Regie sind sehr anders. Ich liebe das spielen, weil es so aktiv ist und ums loslassen geht. Das kann man als Regisseur schlecht. Als Schauspieler ist es vorbei, wenn eine Szene abgedreht ist, das ist jedesmal wie ein kleiner Tod. Kieslowski etwa wußte nicht viel über Schauspiel, aber er wußte genau was er wollte und er hatte ein unglaubliches Gefühl für Rhythmus, so daß es eine wunderbare Arbeit war. – Mir wurde auch Mission Impossible angeboten, aber man wollte mir das Buch nicht vorher geben. Ich sollte erst den Vertrag unterschreiben und dann diskutieren. Das ist für mich keine Arbeitsweise: Wir haben die Macht und du arbeitest. Ohne mich, habe ich gesagt, Mission Impossible.

Fragen: Matthias von Hartz