Wenn sich Herr Saubermann abreagiert

■ Haßerfüllte Pamphlete gleich dutzendweise verschickt: zwei Jahre auf Bewährung für einen passionierten Volksverhetzer

Punkt 10:30 Uhr erschien ein unscheinbares, ordentlich gekleidetes Männlein mit leicht angegrauten Haaren mit einem zackigen „Guten Morgen, die Herren, da bin ich“ im Verhandlungsraum des Amtsgerichts. Betont gelassen ging der 63-jährige Delmenhorster gestern in seinen Prozeß. Die Anklage: Volksverhetzung.

Über 80 haßerfüllte Pamphlete, so die Anklage, habe der Angeklagte . zwischen 1991 und 1994 verfaßt und in mindestens 43 Fällen an Personen des öffentlichen Lebens wie den Delmenhorster Oberbürgermeister Thölke, Institutionen wie die Schalomgemeinde in Greifswald und Privatpersonen verschickt.

Die Autorenschaft leugnete der sich kooperativ gebende Angeklagte, dem die Polizei durch einen zufälligen Hinweis nach jahrelangen Ermittlungen auf die Spur gekommen war, auch gar nicht. „Ich schreibe seit Jahren Kurzgeschichten. Und die schicke ich dann an meine Freunde.“ Anfang 1991 aber, so die Erklärung des Angeklagten, habe sich wegen einer Ehekrise Sein seelischer Zustand habe sich verändert. Die Folge: die Kurzgeschichten laufen aus dem Ruder, Der Angeklagte reagiert sich ab. „Da war das Schreiben so eine Art Ventil für mich. Andere trinken dann Alkohol. Ich nicht. Ich rauche nicht mal. Keine Vorstrafen, nicht mal in Flensburg.“

Die Hetztiraden des Saubermanns als Folge kurzzeitiger geistiger Umnachtungen, während denen der Geist des Führers in den gestreßten Delmenhorster fuhr? „Ich verstehe auch, das Sie mir nicht glauben“, sagt der Angeklagte. Dumpfe Ergüsse für den Freundeskreis wie „Ausländer, Asylantenbewerbern, Schmarotzer und andere Kriminelle! Haut ab, solange noch Gelegenheit ist... Ihr kennt das Schicksal von angeblich Millionen von Juden, die in den zwanziger Jahren ungebeten in unser Land gekommen sind“ oder „Kein Gefangener ist vergast worden. Die Juden haben die Gaskammern nach Kriegsende in den KZ's aufgestellt“, allesamt mit „An alle Haushalte“ überschrieben, habe er nie als strafbar empfunden, so der Angeklagte , und nur aus Versehen bis zu 78 Mal kopiert. Auf die Frage des Gerichts nach etwaiger Parteizugehörigkeit verschwieg er eine Urkunde, die ihn als DVU-Ehrenmitglied ausweist. Bei der Frage nach seinen Motiven räumte er ein, „daß die Frage der Überfremdung mit hineingespielt hat.“

Mißverständnisse waren bei solche Sprüchen schnell ausgeräumt. Unklar blieb bei der Mischung Gesinnung plus Ehestreß nur, wer denn die volksverhetzenden Pamphlete in den Umlauf gebracht hat. Denn da schaltete der höfliche Angeklagte auf stur. „Es ist nicht möglich, mir kriminologisch nachzuweisen, daß ich die Sendungen verschickt habe“, bemerkte er zutreffenderweise. Dem Richter aber genügte das Gehörte.. Er verurteilte den Hobby-Holocaustleugner wegen Volksverhetzung und Anstiftung zum Rassenhaß zu zwei Jahren Haft, wegen des saubermann'schen untadeligen Lebenslaufes zur Bewährung ausgesetzt.

Ein schaler Nachgeschmack aber blieb, denn wo einer gehetzt hat, haben andere mindestens geschwiegen. Die Frage, ob ihm bei seiner Arbeitsstelle Ärger drohe, hat der Angeklagte gestern verneint, obwohl auch dort in seinem Spind volksverhetzende Briefe gefunden worden waren. „Die Chefs haben zu mir gestanden, und die Mitarbeiter haben keine Ablehnung gezeigt. Man wertet sowas als politischen Prozeß im Zeichen der Zeit. Und wenn sich die Regierungsform ändert, wird so etwas anders bewertet.“ Kein Ruhmesblatt für die Daimler Benz Aerospace Airbus. Lars Reppesgaard